Sandro von Lorsch

Expressionist, Exzentriker, Europäer

Von Holger Michael Stienen

Projekt „Muschelsucher“

(In Anlehnung an einen Roman Rosamunde Pilchers, in dem ein wiederentdecktes Bild eine entscheidende Rolle spielt)

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Projekt „Muschelsucher“

Ich möchte dieser Recherche, die in kurzer Zeit so viel Erstaunliches, ja Unglaubliches über das Leben dieser Maler zutage gefördert hat, etwas Persönliches voranstellen, das aus meinem Tiefenbewusstsein zurückgekommen ist, nachdem ich vor fast drei Jahren das wundervolle Lorsch Bild vom alten Reinbek, 1952, vererbt bekam, das mein Großvater Leo Gabler im seinerzeit abkaufte, noch feucht. Es hing dann nach dem Tod der Großeltern bei meinen Eltern über der Couch. Meine Großeltern besaßen wohl noch ein zweites Bild des Malers aus dem Sachsenwald. Inzwischen habe ich ein ähnliches Bild von ihm von 1945 an der Bille erworben. Der Name vom Lorsch war mir schon als Kleinkind ein Begriff, die Bilder konnte ich damals aber nicht zuordnen. Erst als mein Cousin ein Parisbild des Malers erbte, hatte ich eine Vorstellung von seiner Malerei. Der Name aber war bei mir immer verbunden mit Festen, die meine Eltern in den 50igern mit Freunden feierten, auf denen viel Wein floss, getanzt wurde und politisiert. Und nun zu meiner Erinnerung: Mein Onkel Prof. Dr. Rudolf (Onkel Rudi) Keylwerth war Österreicher, in Brüx/Tschechien geboren, der in Reinbek Professor für Holzphysik war, im grünen Lodenmantel mit ebenso einem Hut. Er war mit von Lorsch befreundet und sie zogen als Junggesellen um die Häuser und kamen auch zu den Partys meiner Eltern. Einmal, ich war wohl in meinem Kinderbett, da kamen sie in mein Zimmer und sangen mich in den Schlaf mit dem hübschen Liedchen Heitschi Bumbeitschi, das dann mein mitsingender, musikalischer Vater übernahm und in der Familie verbreitete. Dieses Lied stammt aus Böhmen und mein Onkel als Wiener und von Lorsch kannten es natürlich beide, da der junge Lorsch schon als Kind Ungarn wie Österreich ausgiebig besucht hatte. Wahrscheinlich haben mir meine Eltern diese kleine Geschichte später einmal erzählt, als der Name Sandro von Lorsch fiel.

 

„Wir wandernden Künstler“ schrieb er Ostern 1974  der Familie seines Anwalts und Mäzen F.F. Eggers ins Gästebuch. Ein ihm wohl schicksalhaft mitgegebenes Lebensprinzip. Und dazu zitierte er den Philosophen Ortega y Gasset: „Die größte Unsicherheit ist unsere Sicherheit“- genau dieses traf auf sein frühes Leben zu und er übernahm dieses Prinzip in die Sicherheit Deutschlands nach dem Krieg. Sein Leben blieb ein extremes, selbst gewähltes Auf und Ab, dazu viele Umzüge, Reisen, Ehen, Liebschaften, immer neue Freunde, dabei war er meines Erachtens nach ein Sucher, er suchte Heimat und  Familie, auch als er diese in Hamburgs Westen wiedergefunden zu haben schien. Wohl wegen des Traumas um seine Familiengeschichte und besonders seine Eltern (s.u.) blieb er ein Getriebener. Wenn er banale Straßenecken in Blankenese, Mailand oder englischen Dörfern malte, dokumentierte er für sich sein „Hiersein“ kombiniert mit dem Wunsch des „Zuhause Seins“. Dieses gilt erst recht für Motive wie Kirchplätze als Orte christlicher Heimat, oder friedliche Motive wie die anheimelnden Häuser am Moor oder der verträumte Blick vom Süllberg in Blankenese auf die in strahlender Sonne oder auch Regensturm einfahrenden Ozeandampfer. Diese fahren bei ihm fast immer in den Hafen hinein und sehr selten hinaus. Auch seine Suche nach bürgerlichen Freunden mit intakten Familien im Nachkriegs- und Wirtschaftswunder- Deutschland deuten in diese Richtung, auch wenn er diese dann wieder vernachlässigte oder abbrach und wie getrieben neue suchte. Auch das Malen an Orten, wohin es uns als Kinder trieb, versteckte Plätze im Wald, Hecken und Knicks hinter den letzten Häusern des Ortes, vielleicht auch dieses Zeichen für eine Rückbesinnung und Sehnsucht nach seiner wohl durchaus intakten Kindheit. Aber dann auf einmal wurde ihm diese Welt auch wieder zu eng. Dann brach er zu seinen Reisen auf und die Welt wurde ihm eine neue.

Sandro von Lorsch, Maler (auch Sandor v. Lorsch, Sander Lorsch, Heinz Lorsch, in England/Frankreich auch Henry)- nach Angaben von seiner Familie, Zeitzeugen und deren Nachkommen sowie Dokumenten. Andere bisherige Angaben zu seinem Leben sind weitgehend falsch, inkl. der Kurzbiografie in der letzten Ausgabe des Lexikons „Rump, Nordd. Maler“.

Stand der schwierigen „Ermittlungen“ bezüglich des Lebens des Malers, mit Blick auf eine geplante Ausstellung 2019 in Hamburg: Sandro von Lorsch 1919-1992- Erste Retrospektive – verfremdete Formen, avantgardistische Farbspiele-gegenständlich, expressionistisch-abstrakt (Arbeitstitel). Eine solche Ausstellung wird scheiterte bisher ab den Räumlichkeiten. Eine Finanzierung ist gesichert,

Alpenhöfe ca 1935
Isle of Wight, wahrsch. nach dem Krieg
Der Maler,mit Herrn Schmiechen, Wentorf b. Hamb. Foto (Hamb. Abendblatt, 1954)

Zur Familiengeschichte

18. Aug. 1919 Hamburg – 17. Febr. 1992 Hamburg als Sandro Heinrich Herrmann Walter v. L. (begraben auf dem Friedhof Ohlsdorf, Kapelle 4, ZY17, Grab 27, 2020 umgebettet in den Prominententeil des Friedhofs nahe des Haupteingangs, Kapelle 1, 1-1-127-R4/66)) lebte v. Lorsch überwiegend im Raum Hamburg, wo auch viele seiner Bilder entstanden.

Durch zahlreiche Reisen in Europa, teilweise schon in der Jugend, nach Spanien, England, Belgien, Frankreich, der Schweiz, Italien, Tschechien, Österreich und Ungarn (dort auch längere Zeit familiäre Verbindung) inspiriert, entstanden auch Bilder aus diesen Regionen, besonders viele mit diversen Pariser und Tessiner Motiven. Er spricht auch von einer Reise in die USA, die aber mit großer Wahrscheinlichkeit erst nach dem Krieg (etwa um 1980- erstmals 1991 erwähnt) stattfand oder aber es hätte ihn schon auf der Flucht (1940-45) dorthin verschlagen (s.u.), was aber bisher nirgends Erwähnung fand und daher eher unwahrscheinlich ist. Von Lorsch entstammte einer Adelsfamilie, den Grafen von Lorsch, die in Lorsch, heute Südhessen, residierten und noch zu Zeiten der Zugehörigkeit der Grafschaft Lorsch zu Württemberg, enteignet wurden. Seine Mutter Bobilla Josefina („Juanita“) entstammte der spanischen Adelsfamilie Rothe de Gomez del Pilar (heute Geschäftsleute in Madrid) und war familiär mit den Herrscherfamilien Venezuelas und Mexikos verbunden. Sie war zur Zeit der Hochzeit eine gefeierte Sängerin. Sie kam als Spanierin in Budapest als Diplomatenkind zur Welt, sie hatte später aber auch einen deutschen Pass (Reinbeker Friedhofsverwaltung). Die Eltern waren sehr reich und hielten u.a. ein Aktienpaket von 15 % an der Commerzbank (lt. Hrn. Heidelmann). Der junge Sandro verbrachte viel Zeit bei der Familie in Ungarn. Sein Vater Georg Willy Walter Reichsgraf v. Lorsch (Graf ist wohl richtig, Reichsgraf lässt sich nicht bestätigen) und Ritter von Stauf(f)enbach (Ortschaft in der Pfalz bei Kaiserslautern), wurde nach Lódz in ein Zuchthaus (möglicherweise im städtischen Ghetto Litzmannstadt) verschleppt und dort von den Nazis erschlagen, er unterhielt weltweite Kontakte besonders zum Adel bis ins englische Königshaus hinein. Ihm wurde deshalb offenbar Landesverrat vorgeworfen. Wahrscheinlich erfolgte die Tötung Graf W. W. von Lorschs im Zusammenhang mit dem gescheiterten Hitler- Attentat am 20. Juli 1944. Ein anderer Grund könnte der Kontakt zu Otto Klein, dem berühmten Restaurator, gewesen sein, der nicht nur Lehrer seines Sohnes sondern auch zeitweise als Zwangsverwalter der Nazi- Raubkunst eingesetzt war und man möglicherweise Stücke an die rechtmäßigen Besitzer gemeldet oder gar überbracht hat. Die russische Front rückte 1944 immer weiter in Polen vor.

S.v.Lorsch war aller Information nach ein Einzelkind. Wenn der Maler auf seinen Vater zu sprechen kam, weinte er später nach dessen Tod jedes Mal bitterlich. In der Zeit vor dem Krieg lebte die Familie in Hamburg am Nettelhof (17/21), einer kurzen Sackgasse die auf den Jenisch- Park stößt (Nachbarn Fam. Schaller). Lorschs Vorfahren verschlug es noch vor der 1900- Jahrhundertwende zunächst nach Mölln und Ratzeburg, wo es Familiengräber bzw. Denkmäler beim Dom gibt. Dort leben heute jedoch keine v. Lorschs mehr. Seine drei Söhne leben in Hamburg, die Tochter in London. Dann zogen seine Eltern nach Hamburg- Flottbek. Ein erstes noch aufgefundenes Bild des Jugendlichen stammt von 1934/35 (Alpenlandschaft mit Bauernhof), ein weiteres von 1939 von der Seine bei Paris mit Kohlekähnen. Nach dem Krieg kam der Maler nach Reinbek, nachdem er sich zuvor erfolgreich vor der Einberufung versteckt hatte. Er war zuvor (1935) auch von der Gestapo im Alten Stadthaus Hamburgs gefoltert worden, wegen eines provokativen Jugendstreiches, als er mit Freunden auf der Alster ruderte und man am Heck des Kahns die britische Fahne befestigt hatte. Damals versuchte man, ihn für unzurechnungsfähig zu erklären, was ihm wahrscheinlich das Leben gekostet hätte. Ihm war der Kiefer gebrochen worden (wofür er nach dem Krieg eine Entschädigung erhielt). Er malte auch in dieser Zeit im Geheimen Bilder unter dem Namen Heinz Lorsch, dieser Name taucht noch bis 1949 vereinzelt auf seinen Bildern auf. Es ist davon auszugehen, dass der junge v. Lorsch, ein Einzelkind, über Geschwister ist nichts bekannt, privat Mal- und Zeichenunterricht erhielt, insbesondere durch seinen Vater, und zu Hause auch Spanisch, Französisch, Ungarisch und Englisch sprach. Sein RA F.-F. Eggers berichtet, dass v. Lorsch „für kurze Zeit“, wie jener ihm sagte, an der Kunstakademie Dresden eingeschrieben war, was ein Artikel in der Wümme- Zeitung (als Beilage zum „Weserkurier“) zu einer Ausstellung v. Lorschs 1991 in Galerie Hubert in Worpswede bestätigt. 

Sein Lehrer 1936 dort (?) und auch noch nach 1945 war Prof. Otto Klein. Vielleicht hat er dort erstmals Kokoschka kennengelernt, der dort noch Professor, allerdings wegen seiner vielen Reisen freigestellt, war. Ein wieder aufgetauchtes Ölgemälde mit H.Lorsch unterzeichnet, dürfte aus der Vorkriegszeit stammen, also mit 14 oder 15 Jahren gemalt worden sein. Es stellt gegenständlich zwei Gehöfte in den Hochalpen dar am Rande einer Wetterfront, wahrscheinlich in Österreich, wohin die Familie wohl im Sommer verreiste. Dieses Bild erhielt die Familie Dahl nach Aussagen der Geschwister 1946 beim Umzug des v. Lorschen Wohnwagens auf ihr Grundstück (s.u.), vermutlich hatte es die Mutter v. Lorschs den Krieg hindurch verwahren können. Ein Bild aus derselben Zeit stellt das Gutshaus einer Familie Busold bei Stettin dar. Dann wurde 2018 von Herrn Dr. Rainer Sempell in einem Antiquariat im Bayerischen Wald ein kleineres Bild auf Holzplatte erworben , man erkennt den Michel in Hamburg, eine Lampe mit Lichtkegel, die Gebäude sehr dunkel und kaum motivmäßig ausgeführt- auch dieses Gemälde spricht für ein Jugendbild- auch der Vorkriegsrahmen. Ein weiterer Hinweis auf seine Jugendreisen entlang der Ostsee gibt sein späterer Anwalt F. F. Eggers, dem er ein Schwerin- Bild malte. Er hatte die Stadt schon vor dem Krieg kennengelernt. Ein weiteres undatiertes Bild, gegenständlich, Venedig, Häuserschlucht mit Gondel und Behelfsbrücke, schlecht signiert, sicherlich aus der Vorkriegszeit, wurde ihm von einem Auktionshaus zugeschrieben. Dann wäre es während einer Jugendreise gemalt worden oder in der Fluchtzeit 1937-39. Nach dem Krieg weigerte sich v. Lorsch, Hilfe der Familie anzunehmen und pochte vielmehr auf sein Erbe und erwog sogar, zu prozessieren. 

Außerdem war er empört darüber, dass man seine Mutter familiär in Kriegszeiten nicht unterstützt hatte und sie sehr bescheiden vom Fürstenhaus v. Bismarck versorgt werden musste. Dennoch verleugnete er sein Spanisches Blut nicht gänzlich. Sandro v. Lorschs zweite (erste Hochzeit möglicherweise in seinen mehr als vier Jahren in England) Frau Sylvia von Pogrell („hübsch, elegant, aristokratisch“, lt. Frau Sempell, geb. Roth). entstammte ebenfalls dem Adel eines schlesischen Fürstengeschlechts. Wahrscheinlich kannten sich die Familien schon aus der Vorkriegszeit oder sogar noch länger. Da die v. Pogrells auch in Osteuropa verbreitet waren, namentlich in Tschechien, aber auch Ungarn und England (dort Einwanderung Mitte 19 Jh. mehrerer Brüder und Cousins über Dover und Southampton) könnten sie dem Maler auf der Flucht vor den Nazis geholfen und Unterkunft gewährt haben. Sylvias Mutter kam aus der ursprünglich bretonisch- englischen Adelsfamilie Butler – Clonebough. Mit seiner Adelsabkunft hat v. Lorsch zwar häufig kokettiert aber oft auch augenzwinkert und fern jedes Dünkels, manchmal sogar seine gute Erziehung vergessend (s.u.). Über seine erste Ehe, die er manchmal beiläufig erwähnte, ist nichts bekannt (ggf. zwischen 1940-45 in England, oder direkt nach dem Krieg in Reinbek, hier wird eine Architektentochter und junge Architektenwitwe Dietlind als seine Freundin von Zeitzeugen erwähnt (Bergedorfer Zeitung, 24.01.2014).

 Ein anderer Zeitzeuge spricht von einer Helga aus der Eignerfamilie der früheren Hamburger Ladenkette „Tausend Töpfe“. Zu Sylvia hatte er wohl auch später noch Kontakt, sie soll, gegenüber seinen Kindern unerkannt, bei der Beerdigung anwesend gewesen sein (Ehep. Plagemann- aber widersprochen von Pastor Günther Klose und Sohn Alessandro, wofür auch spricht, dass er sich 1972 im Winsener Anzeiger zu dieser Ehe äußerte: „Wir passten nicht zueinander“). In dritter Ehe heiratet er Helga Best (später Behn) und hat mit ihr einen Sohn. In vierter Ehe ist er mit der Großbauerntochter Helga Meyer aus den Vierlanden verheiratet und verbringt mit ihr etwa 10 turbulente aber auch teilweise glückliche Jahre. Mit ihrer Aussteuer kaufen sie ein kleines Haus in Hamburg- Ottensen. Es werden zwei Söhne und eine Tochter geboren, um die sich der emphatische Vater rührend kümmert. Das Ende dieser Ehe, seinem unsteten Leben und Einkommen geschuldet, kann er kaum verwinden. Er erhält Besuchsverbot. Zu Weihnachten fahren die Kinder nach Winterhude, wo ihnen der Vater durchs Fenster zuwinken darf. Erst später entspannt sich die Situation und er hat Kontakt besonders mit dem ältesten Sohn aus dieser Ehe, Alessandro. Sie gehen zusammen Essen und machen manch feuchtfröhliche Nacht durch. Später heiratet er nochmal die junge Margarete, die ihm zuvor Model gestanden hatte (versch. Aktbilder). Er nannte sie zeitlebens Angela (ital. Sprechweise).

Verhaftung durch Gestapo, Flucht, Prag, Budapest, Paris, SO- England und Kriegszeit

Es gibt inzwischen einige Hinweise auf den Verbleib des Malers in der unmittelbaren Vorkriegs- und Kriegszeit. In einem Artikel aus dem Mailänder Libera Stampa von 1957 wird davon gesprochen, dass v. Lorsch selber länger inhaftiert war (wohl Hamburg) wo und wie lange ist nicht erwähnt. Dann wurde er dennoch eingezogen, unter Kommando eines Kompaniechefs Dr. Neuhäuser (zuvor RA in Hamburg), entging der Einberufung dann aber offensichtlich, nachdem der Versuch gescheitert war, sich für unzurechnungsfähig erklären zu lassen.
Vermutlich 1937/38 war er nach dieser Quelle zunächst in Prag im Umfeld Kokoschkas („Kokoschka- Schüler“ lt. dem damaligen Kunsthistoriker Prof. Dr.G.L.Luzzato), es gibt sowohl Prag- Bilder wie auch solche aus Budapest, letztere aber v. Lorsch zufolge „aus der Erinnerung gemalt“. Die Prag- Bilder ähneln jenen Kokoschkas. 1937 waren in Deutschland Bilder durch die Nazis als „entartete Kunst“ verbrannt worden, alleine 5000 in Hamburg, darunter auch solche v. Lorschs (Wümme- Zeitung 26.09.1991) sowie viele der kontemporären Künstlerelite. Kokoschka besaß bereits das tschechische Heimatrecht. V. Lorsch konnte ein solches offenbar nicht erlangen. In Prag agierten zahlreiche Komitees zur Unterstützung deutscher Emigranten, namentlich Künstlern. Es wurden Ausstellungen organisiert. Viele Exilanten lernten Tschechisch, aber verließen das von den Nazis bedrohte Land bald wieder.

Daher reiste auch v. Lorsch nach Budapest und erhielt dort einen ungarischen Pass. Ungarns Regierung orientierte sich zwar einerseits gen Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner. Dennoch wurde der Demokrat Paul Teleki (der sehr gebildet war und seinen Adelstitel Graf Paul Teleki von Szek abgelegt hatte) 1938 erst Kulturminister und 1939 Ministerpräsident (Selbsttötung mit Kriegseintritt Ungarns 1941). Von Lorsch besaß noch mehr als 15 Jahre nach Kriegsende die doppelte Staatsbürgerschaft. Wahrscheinlich hat er sich relativ kurz in Ungarn aufgehalten (vorhandene Ölbilder von dort wurden wohl erst später nach Skizzen angefertigt) und könnte dann über Österreich, Schweiz, oder Serbien und Oberitalien nach Frankreich gekommen und etwa ein Jahr später nach England ausgereist sein. Es gibt Hinweise auf seine Malerei in Paris, ein Bild 1939 Kohlekähne mit Kraftwerk Paris Sud. In diesem Jahr lernt er den Maler Chaim Soutine kennen (oder kannte ihn schon von Parisreisen mit seinem Vater), der ein Atelier mit Chagall betreibt. Soutine wird ihm zum väterlichen Freund und “sein großes Vorbild“, wie er später gegenüber Herrn und Frau Eggers, Großhansdorf, betonte. Soutine hatte seit 1937 bis zum Kriegsbeginn eine Gruppe deutscher Flüchtlinge um sich, die seine gute Bekannte Gerda Groth („Mile Garde“) zusammengeführt hatte. Mit den beiden war auch Henry Miller, der spätere Literatur Purlitzerpreisträger) eng befreundet, der sich länger in Paris aufhielt. Ein weiterer Maler wird 1939 ein weiterer väterlicher Freund und Vorbilder: Pierre Bonnard und ebenso Maurice de Vlaminck. Der Führer des Widerstands General De Gaulle, floh im Juni 1940 nach London. Ein Bild v. Lorschs von einer kleinen mittelalterlichen, sicher französischen, Kathedrale, das vom Auktionshaus Fischer, Schweiz, Anfang des 2002 versteigert wurde, scheint ebenfalls aus dieser Zeit zu stammen.

Es spricht sehr viel dafür, dass es sich um die Kathedrale von Chartres 80 km westlich von Paris handelt, entweder einen Seitenflügel oder eine der davor liegenden Kirchen wie Sainte- Foy, dahinter die ungleichen Türme der Kathedrale Notre Dame. Hier hatte sich in den Jahren zuvor Soutine häufig in jener der Gegend im Landhaus seiner Mäzenen, dem Ehepaar Castaing, im nahen Lèves aufgehalten. Auch Soutine hatte die Kathedrale, allerdings von vorne, gemalt. Sie ähnelt sehr dem Bild, dass von Lorsch später von der Kathedrale in Salisbury angefertigt hat. Von Lorsch könnte diese Route als Möglichkeit genutzt haben, um sich danach weiter über Caen nach Cherbourg zur Einschiffung nach England begeben zu haben.
Spätestens im Frühjahr 1940 verlässt v. Lorsch Frankreich Richtung der Insel, Southampton oder Porthmouth. Inzwischen gibt es Hinweise, dass er sich zeitweise auf der Isle of Wight aufhielt, die er nach dem Krieg wieder besuchte. Wenn es ihm materiell besonders schlecht ging, malte er, imitierend, Soutines drei magere Heringe mit zwei Gabeln, in denen sich jener selber seiner eigenen schlechten Zeiten erinnerte. Aber auch Bilder für den englischen Landadel, wie Zuchtstiere und Pferde. Auch Kokoschka war ja in der Kriegszeit in SO- England, in Cornwall, später Schottland und London, auf (1939-1953) gezogen. Auch v. Lorsch malte in Südengland. U.a. Stationen Salisbury, Southampton (wichtigster Hafen für Nazi-Flüchtlinge bes. über Frankreich), Portsmouth; Zeichnungen liegen teilweise stark vergilbt aber leider undatiert als Belege vor. 

1940 wurde die englische Ostküste für die britische Kriegsmarine geräumt. Eventuell ging v. Lorsch dann auch nach London. Jedenfalls gibt es London-Bilder von ihm, aber aus der Nachkriegszeit, davor nur Skizzen. Wahrscheinlicher jedoch ist die Ortschaft Stockbridge in Hampshire 110 km nordwestlich von London, von dort liegen Skizzen von ihm vor, ebenso aus dem nahen Dorf North Houghton und anderen Teile Wiltshires wie auch von Salisbury und Dundas, letztere aus der Nachkriegszeit, denn mindestens noch ein Mal, 1956, reiste er erstmals wieder über Dover nach England, auch an die Ostküste und ihr Hinterland. Dort malte er in der reizvollen Hügellandschaft wohl auch auf größeren Farmen (Bullenbild) und beim regionalen Landadel. !964 reist er noch einmal nach England, auf die Isle of White. Er malt dort. Es ist möglich, dass er sich auch dort vor und während des Krieges aufhielt (und so schon früh den britischer Truppen zur Seite stand). Es besteht aber auch die Möglichkeit, da über seine Englandzeit im Kriege fast nichts zu erfahren ist, dass er weiter in die USA reiste. Dort war er auf jeden Fall nach dem Krieg (Wümme- Zeitung 26.09.1991), wahrscheinlich zuletzt in den frühen 80iger Jahren, besonders in New York. 2015 erschienen drei Artikel dort über ihn, im Southampton Daily Echo und dem südenglischen Lifestyle- Magazin Society und Salisbury Journal. Es gibt auch Hinweise auf einen Aufenthalt in Middlesex nördlich von London. Das Interesse an England schien bei v. Lorsch immer und schon in der Jugend dagewesen zu sein und ging offenbar über ein rein künstlerisches hinaus. Es gibt Hinweise darauf, dass er unmittelbar vor Kriegsbeginn Bilder in Frankreich nicht mehr signiert hat. Das dürfte auch für viele Englandbilder in den Kriegsjahren zutreffen, wie auch auf Vorkriegsbilder besonders auch währen seiner Fluchtphase. 

Es ist nicht auszuschließen, dass er in jener Zeit sich nicht auch Geld als Musiker, namentlich als Geiger, verdient hatte, die er neben der Gitarre und Ukulele besonders gut beherrschte. Die Familie spricht nachdrücklich von fünf Ehen des Malers. Daher kann die erste, über die nichts weiter bekannt ist, nur in die Kriegszeit fallen, also in England (oder Ungarn, Frankreich?) oder wurde diese von ihm nur als solche im Nachhinein bezeichnet?

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Hamburg Rothenburgsort, 1944 zerstörter Stadtteil
Dover, kurz nach Kriegsende

Reinbek

Von Lorsch lebte dann unmittelbar nach dem Krieg (bereits 1945- Hafenbild Bergedorf oder Bille bei Aumühle) etwa 10 Jahre lang im Raum Reinbek, Wentorf, Bergedorf, was durch Zeitzeugen und seine Bilder belegt ist. Ihm gelang die Rückkehr nach Deutschland im Gefolge der britischen Truppen. Es wird berichtet, dass er bereits einige Tage vor Kriegsende in Reinbek auftauchte, bei der Familie Gierhake, Kircheallee 6, und dort mit Freuden im Garten musizierte. Es gab letzte Tiefliegerangriffe, u.a. auf die Eisenbahnbrücke zwischen Reinbek und Wohltorf (abgewehrt vom Volkssturm, Jungs um 14 mit Maschinengewehren). Da führte Vater Gierke die Familie und Besucher in den ausgebauten Luftschutzkeller). Für die Briten arbeitet er, mehrsprachig, fließendes Englisch sprechend, als Übersetzer. In einer Mappe mit Zeichnungen aus jener Zeit finden sich Bögen in englischer Sprache mit Skizzen auf der Rückseite von Lagerlisten von Waren des britischen Militärs. Besonders genoss er es, in Jeeps hin und her gefahren zu werden (G. Klose, Priester) i.R.). Die britische Kommandantur machte ihn dann sogar zum Reinbeker Bürgermeister, was er aber nur einige Wochen blieb, weil er hierfür gänzlich ungeeignet war und er mit Freunden die Stadtkasse verfeiert hatte, woran einige sehr alte Reinbeker sich noch schmunzelnd erinnerten.

Häufig wohnte er dann auch schon einige Zeit bei seinen Mäzenen, meist Geschäftsinhaber, Kaufleute und anderen Selbständige wie Handwerksmeistern, aber auch Lehrer und Professoren zählten zu seinen Bekannten. Hatte er Geld, brachte er den Damen des Hauses gewaltige Blumensträuße mit, die er mit Handkuss überreichte und kaufte im Reinbeker Delikatessenladen Rathmann ein (gibt es noch immer fast unverändert und in Hand der Familie), dem Geschäft der Familie Barthel ebenfalls in der Bahnhofstrasse oder im Feinkostladen Schmiechen am Reinbeker Weg in Wentorf.. Familien seines Umfelds hier waren u.a. Gabler, Keylwerth, Lilie, Litschauer, Schmiechen, die Zahnärzte Dr. Stienen und Dr. Kretschmer, Dr. Walter, Pastor Becker und Kaplan v. Stockhausen und Rechtsanwalt Lau, Fam. Harder (Blumenladen), Brauners oder auch die Inhaber des Gasthofes „Zur Schmiede“, Familie Timm, wo in der Gaststube eine gewaltiges Gemälde Lorschs hing, das eine am Feuer tanzende Zigeunerin mit Tamborin zeigte. Wegen diesem und anderer Bilder aus der Puszta wurde ihm öfter ein Bezug zu Ungarn nachgesagt, den es aber nur insofern gab, als er  Ungarn besucht hatte und auch Bilder nach Skizzen von dortigen Motiven gemalt hatte. Er selber unterschrieb diese dann eher scherzhaft mit Sandor und verlieh damit der Legende seiner ungarischen Herkunft eine scheinbare Legitimität (seine Mutter als span. Diplomatentochter in Budapest aufgewachsen, hatte ihm Ungarisch und Spanisch beigebracht). Diverse Reinbek (und Umgebung) -Bilder zeugen von dieser Zeit  wie jenes vom Zentrum Reinbek vom Rosenplatz mit Gasthaus Zur Schmiede, Gut Silk und Gut Schönau, Katen in Ohe, Bille, Hühnerhof Reinbek (am Feldrain/Nelkenstrassse), Kolonialwarenladen Schmiechen am Reinbeker Weg usw.

Eine besondere Beziehung der Familie von Lorsch bestand schon vor dem Krieg zu den ehem. Gutsbesitzern Busold, die ihren Landbesitz westlich von Stettin 1945 an das kommunistische Polen verloren. Dort hatte der junge v. Lorsch das Gutshaus 1936 gemalt, das sich weiter im Familienbesitz befindet. Offenbar kannten sich die Familien damals bereits. Auch bei den verschiedenen Familien der Reinbeker Dynastie Odefey (Ärzte, Industrie, Banken, Großgrundbesitz) ging v. Lorsch nach dem Krieg ein und aus. Vom Schneidermeister Wittenburg in  Aumühle  (v. Lorsch lebte zeitweilig bei ihm in Schwarzenbek) ließ er sich Anzüge fertigen und dieser bekam dafür u.a. drei großflächige Aquarelle, eines vom bayrischen Königssee, eines vom Pont Neuf Paris (März 1956) und eines von einem Bergbaubetrieb im Harz bei Goslar (auch vor 1960- Bergwerk Rammelsberg, damals zur Preussag gehörig- vgl. GF Grunow s.u.-(erste Zeichnung dieses Berges mit Anlage 1784 durch Georg Melchior Kraus für J.W .v. Goethe) sowie vom Königssee/Berchtesgarden (mit blauem Bergwald) aus derselben Zeit, von dort wahrscheinlich Weiterreise über den Tegernsee (Aquarell)  nach Zell am See,auch von dort sind Ölbilder bekannt).

In Reinbek wurde auch seine Mutter beigesetzt, um die er sich liebevoll gekümmert hatte. Sie starb an einer Krebserkrankung. Unmittelbar nach dem Krieg lebten sie zusammen in einem Bauwagen.  Dieser stand zunächst in Ohe (Ölbild von Katen auf Gut Schönau) auf v. Bismarckschen Grund (wo die Mutter möglicherweise die Kriegszeit verbrachte), dann zwei Jahre auf dem Grundstück der Familie Dahl in Wentorf im Hohlen Weg. Von der Familie bezog man Strom und Wasser gegen Gemälde. Die Kinder Dahl „saßen oft bei der Gräfin und bekamen von ihr vorgelesen.“ Die alte Dame lackierte sich gerne die Nägel, zum Erstaunen der Kinder auch die Fußnägel. Als sie das ihrer Mutter erzählte, erwiderte diese: „Das sind eben Künstler“. Von Lorsch saß oft in der Nacht in dem Wagen und malte. Morgens rief er die beiden Jungen und sie trugen für ihn die noch feuchten Gemälde zum Reinbeker Bahnhof. Er malte häufig nach Skizzen –Bleistift/Kohle von den Vortagen. Wenn sie ihn im Dampfzug begleiten durften, ging es meist in die Bar der Hotels Vier Jahreszeiten und Atlantik, wo er sich mit potentiellen Käufern oder Galeristen traf, darunter auch aus dem renommierten Hause Galerie Commeter.  Hatte er im Notfall sogar auf Zeitungspapier gemalt, besorgte ihm jetzt Herr Dahl, der einen Krankenwagen fuhr, aus dem Krankenhaus (Sophienbad) öfter ausrangierte Bettwäsche als Leinwand. In dieser Zeit lernt er auch Berthold Beitz, damals Chef der Iduna- Germania- Versicherung (Später Krupp- Generalbevollmächtigter), kennen. Dieser traf sich gern in den Hotels Esplanade, Vier Jahreszeiten, Streits oder Atlantik mit Unternehmer und Managern wie Axel Springer, Alwyn Münchmeyer, dem Zementfabrikanten Horst- Herbert Alsen (Bilder von dessen Prokuristen angekauft), dem späteren Wirtschaftsminister Karl Schiller, Spiegel Chef Rudolf Augstein und dem Unternehmer und späteren CDU- Politiker Erik Blumenfeld. Aber auch lebenslustigen Menschen wie dem Parfümeriebesitzer Hans Thiede (am Jungfernstieg, besaß auch bis Ende der 70iger, lt. Sohn Patrick,  den Friseursalon im Hotel Vier Jahreszeiten, dort ließ er sich gegen Gemälde frisieren und maniküren und erwarb Seifen, Parfüms, und Haarwachs) dem Stararchitekten Ferdinand Streb, aber auch Menschen wie dem Boxweltmeister Max Schmeling sowie Menschen aus der Kulturszene. Die Clique nannte sich spaßeshalber „Könige von Hamburg“. Gerne ging man auch ins Weinrestaurant „Halali“ in den „Großen Bleichen“. Von Lorsch hatte hier verschiedentlich Zugang und verkaufte in diesen Kreisen seine Bilder, wie auch seine Malerkollegen Karl Schmidt- Rottluff und Max Beckmann. Der Kontakt zu Berthold Beitz dürfte über letztere zustande gekommen sein oder über dessen ehemalige Sekretärin bei der Karpaten- Öl AG, Evelyn Döring, die Beitz 1946 zufällig vor dem Hotel Esplanade in Hamburg wiedertraf. Diese arbeitete, wie von Lorsch, als Übersetzerin für die britische Besatzungsverwaltung. Nach Beitz` Weggang nach Essen zur Krupp AG im Herbst 1953 hatte v. Lorsch dort nochmal mit ihm Kontakt. Dann logierte er im Hotel Essener Hof und zeichnete und skizzierte in der Essener Innenstadt, so am 14.9.1955.

Von Lorsch besaß auch einen Kontakt zum Hause v. Bismarck in Friedrichsruh, Bilder konnte die Verwaltung in Friedrichsruh leider nicht in ihrem Besitz finden. Zeugen erzählen jedoch, dass ihn der Fürst einmal mit dem Chauffeur nach einem nächtlichen Gelage aus Blankenese abholen ließ. In dieser Zeit fuhr er mehrmals nach Schwerin, wo er Werbeplakate für Geschäfte entwarf (ein gewaltiges Schwerinbild mit Schlossinsel und ein kleineres vom Dom).  In Reinbek/Wentorf war er auch mit dem Maler John- Heinz Witt befreundet. Durch diesen kannte er auch den bekannten Maler Karl Schmidt- Rottluff (lt. Fr. Stiller, Witts Tochter). Es gibt auch ein Portrait Schmidt-Rottluffs von v. Lorsch Ende der 50iger Jahre gemalt. Jener hatte von Lorsch wohl auch angeregt, wieder er im Tessin zu malen. Montagnola schien v. Lorsch schon zu kennen. Möglicherweise war er dort in erster Ehe kurz verheiratet. In einem Artikel spricht er vom eigenen Haus dort, dass nach der Scheidung bei der Ehefrau verblieb und wohl von ihr in die Ehe eingebracht worden war. Die Zeichnungen von Dörfern und Landschaften des Tessin beider Maler ähneln sich, besonders die des Jahres 1954, nicht jedoch die Ölbilder. Besonders liebten beide das Örtchen Montagnola, wo schon Hermann Hesse sich zum Schreiben zurückgezogen und auch gemalt hatte. Möglicherweise malten v. Lorsch  und Schmidt- Rottluff zeitweise gemeinsam. Nach 1927/28 reiste Schmidt- Rottluff erstmals wieder 1949 dorthin und nach Norditalien, an den Lago Maggiore, Prato und ins Maggia- Tal. Er war auch im romantischen Verzasctal mit den originellen Steinblockbauerngehöften. Dort kam er im Familienhotel Campagna Ticiano unter (Rückseite Bild Fam. Plagemann). Von Lorsch malte dann viele Jahre auch in den 70igern immer wieder im Tessin, wo er auch den Maler Hans Marsilius Purrmann kennenlernte  (den er 1957 zusammen mit Schmidt- Rottluff, der in Ascona weilte, erstmals besucht- in der Purrmann Biografie von B.u.E. Göpel ist von“ ungarischen Malern“ die Rede) aber reiste zwischen 1953 und 1959 sehr viel auch nach Frankreich (Parisbilder), Italien (Lago Maggiore, Mailand- Zeichnung der Hochhausvorstädte) und England- London, Salisbury (Hamb. Abendblatt 1959). Offenbar besuchte er Schmidt- Rottluff auch in Sierksdorf an der Ostsee (Ostseebild, Häuser am Strand, undatiert).

Spätestens ab 1958 lebte v. Lorsch überwiegend im Westen Hamburgs, in Blankenese (Str. Bockhorst) und Othmarschen, wo er ein Haus besaß (aus der Familie der Frau), heiratete und viele Freunde hatte. Insgesamt war er ja fünf Mal verheiratet und hat vier noch lebende, eheliche Kinder. In den frühen 70iger Jahren lebte er nach der Trennung von seiner vierten Frau noch einmal fast zwei Jahre in Reinbek in der Pension Scharnberg am Schmiedesberg, wo auch Bilder von ihm hingen. Es gibt auch eine Zeichnung des Hauses von ihm auf der er sein Zimmerfenster markierte. 1971 malte er auch in und um Hittfeld (Artikel Winsener Anzeiger 1972). Dort war er im Gasthof Wolkenhauer, Neugraben (Bahnhof) oft anzutreffen, wo er möglicherweise auch untergekommen war. Nach der Trennung von seiner vierten Frau wohnte er auch kurzzeitig im Gasthof Krähenwinkel in Hittfeld. Damals war er bereits mit dem Entwurf zum Gemälde für die Schwimmoper (mehrere Meter hohe Woge ?) befasst, die am 10.01.1973 eingeweiht wurde. Man zog ihn auch zu Konsultationen zur Innenarchitektur des Gebäudes hinzu. Das Bild gilt heute auch nach ausführlichen Recherchen, als verschwunden. Hierbei soll es Streit mit den Architekten gegeben haben. Auch der Hamburger Schokoladenfabrikant Stockmann gab für sich und seine gleichnamige Firma lt. Hamb. Abendbl. 22.12.1951 (ausführlich mit Bild: Fabrik mit Güterzug und Lastwagen in Welt am Sonntag v. 02.09.1951) Gemälde in Auftrag, darunter eine seltene Ansicht des Hamburger Hafens von Neumühlen aus gesehen, vom Fabrikdach der Fma. Stockmann aus gemalt. Weitere Bilder hingen beim Arbeitgeberverband Nord und Radio Bremen (Günter Klose, Priester und Freund v. Lorschs). Nach dieser und anderen Quellen kaufte auch der spätere Krupp- Chef Berthold Beitz  einige Bilder v. Lorschs, mehrere davon verschenkte dieser aber auch wieder. Eine Verbindung zu Beitz mag dessen Anti- Nationalsozialistische Einstellung und Vergangenheit gewesen sein, eine andere möglicherweise das Geigenspiel, das Beitz in seiner Jugend ausübte und von seinem darin ausgebildeten Vater erlernt hatte. Jedenfalls erwarb die Iduna- Germania- Versicherung, der Beitz damals vorstand, auch später noch Lorsch- Gemälde auch als Geschenke für befreundete Unternehmen, so für die Hamburger Anwaltskammer. 1952 heiratet er Sylvia von Pogrell, die einen Sohn Michael von ihrem mit 20 Jahren gefallenen, ersten Gatten, mit in die Ehe bringt. 1959 lassen sie sich scheiden. Beide hatten sich in Hamburg kennengelernt. Sie stammte aus der Lüneburger Heide bei Buchholz ( lt. Hubertus v. P., Großcousin). In den 50iger Jahren malte v. Lorsch auch an der Nordsee, so auf Sylt, in Büsum und den Halligen wie z.B. Langeland und auch erstmals in Worpswede. Um 1950 lebte v. Lorsch auch einige Zeit bei der Kaufmannsfamilie Lünstedt in der vornehmen Chrysanderstrasse in Hamburg- Bergedorf.

Im Jahr 1955 hielt sich der Maler etwa 6 Monate in Hannover in der Erdgeschosswohnung im Hause des Bergassessors und Prokuristen der Preussag, Rudolf Grunow auf, Gellertstr. 16 (Tochter Fr. Bässeler, Fulda, Schwester in Vancover). Dort lebte er mit seiner Frau „Bibi“ (Sylvia).  Anlass war der Besuch in Hannover wegen einer Ausstellung im Museum. Dort traf er Frau Grunow, die auch malte, und so blieb er einige Zeit in Hannover, wo er auch Bilder verkaufte. U.a. hatte er auch Kontakt zu Bernhard Sprengel (Schokoladenfabrikant- Namensgeber des „Sprengel-Museums“ für neue Malerei, bes. Expressionismus)) und dessen Kreisen. Da er diesen aber einmal versetzte, riss der Kontakt jedoch wieder ab. Ein Bild aber erhielt das Landesmuseum, heute in der Sammlung des Sprengel- Museums in Hannover. Es zeigt das Portrait des Literaturkritikers und Schriftstellers Johann Frerking (1884 – 1971). Auch das Verhältnis zu den Grunows litt zunehmend unter v. Lorschs unsteter Lebensweise. Die Familie hat aber seine Kunst stets sehr geschätzt und neun Bilder von ihm gegen Logis getauscht. Aus diesen Tagen liegen auch einige Fotos vor. Auch später, so 1956 und 1958 besuchte er die Grunows erneut. Kürzlich schenkte eine der Grunow- Töchter dem Sprengel- Museum ein Ölbild mit Motiv Lago Maggiore. Von Lorsch hatte auch engen Kontakt zum Justitiar der Preussag AG Herrn Müseler, den er auch portraitierte. Man feierte gemeinsam ausgelassene Feste. Die Familie kaufte noch weitere Bilder hinzu. Damals hatte er auch zum VW Chef Prof. Nordhoff Kontakt, der ihn neu einkleidete (der Maßanzüge und Kamelhaarmantel) und mehrere Bilder erwarb (lt. G. Klose). Ende der 50iger Jahre verkaufte die deutsche Tochter der Firma Cadburry in Bremen zwei Pralinensorten mit exklusiven Motiven v. Lorschs auf den Deckeln. Im Frühjahr 1956 stellt er in der Hannoveraner Galerie Koch aus (u.a Bilder von Goslar, Hafen Hamburg, Ansicht Blankenese, Stillleben mit Essigflasche). 1956 reiste er nach Berlin und malte dort auch, u.a. `Große Stadtansicht von Berlin` (versteigert 2002 Auktionshaus Stahl, Hamburg). Im Oktober residiert er auch im Hotel Essener Hof in Essen, von wo aus er eine Ansicht der Stadt zeichnet (vermutlich dort wg. Treffen mit Berthold Beitz). Auch im Oktober 1956 in Hannover entstand noch folgendes Gedicht, von einem Bekannten der Grunows verfasst:

Seht einmal den großen Meister
Vor den Werken, die er schuf.
Er ist einer jener Geister,
die sich nah`n auf schnellen Ruf,
doch die wieder loszuwerden
oft bereitet viel Beschwerden.

Mit dem Pinsel in dem Munde
Sitzt er hier froh zeichnend da.
Jubelnd noch vor einer Stunde,
war er dann dem Selbstmord nah.
Und so ist er oft cholerisch,
depressiv und sehr hysterisch.

Im Dezember 1958 reist von Lorsch mit Frau entlang dem Rhein von Süden nach Norden. Möglicherweise ist er auf der Rückkehr von einer Reise nach Italien, der Schweiz oder Frankreich. Am 3. Dezember ist er in Sesenheim bei Strassburg. Am Nikolaustag ist er in Wittlaer, Bockumer Str. 331, einem Nobel- Stadtteil von Düsseldorf. Dort malt er die spielenden Kinder der Familie Dr. rer. pol. Günter Winkelmann, Christine und Andreas mit ihren Geschenken, einem kleinen Leiterwagen und einen kleinen Teddy. Außerdem erhält die Familie ein großes Portraitbild einer jungen Frau, gemalt am 3. Dez. 1958  mit Widmung „für Günter und Erika“ (Dr. Winkelmanns erste früh verstorbene Frau). Auch steht der Name „Gina“ auf der Rückseite, Dr. Winkelmann war die rechte Hand von Berthold Beitz bei der Iduna- Germania Versicherung in Hamburg und später bei der Krupp AG in Essen. Danach war Dr. Winkelmann Vorstand bei der Stinnes AG, Mühlheim Ruhr und VEBA, Düsseldorf. Im Alter baute er sich unter seinem Namen in Düsseldorf eine Galerie auf. Die Frau aus zweiter Ehe (geb. Kellermann) besitzt noch zahlreiche Lorsch- Gemälde. V. Lorsch mit Ehefrau Sylvia v. Pogrell lebte mehrere Monate in der Gästewohnung der Winkelmanns. Sie waren aber zuletzt nicht mehr so gerne gesehene Gäste. Die Gründe hierfür sind unbekannt. In dieser Zeit dürfte S.v. Lorsch auch seine Lehrer Otto Klein aus Köln häufig gesehen haben, der in jener Zeit hauptsächlich in Düsseldorf tätig war. Diesen hatte er wohl als Jugendlicher zusammen mit seinem Vater öfter besucht und sich dessen Techniken angeeignet.

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Bergedorf 1947 Am Hafen mit Hasse- Turn und St. Petri und Pauli
Nordfriesische Insel, um 1960
Hamburger Hafen, 1950iger Jahre
Jahrmarkt,Schützenfest, Reinbek Loddenallee, 1950iger Jahre

Blankenese und Winterhude

Einen weiteren Freundeskreis hatte der  Lebenskünstler in Winterhude, wo er auch zeitweise unterkam, so bei Herrn Dr. S. Hinz, ca.1965. Dort entstanden auch viele Bilder besonders an der Außenalster, die auch heute sehr gesucht sind und Liebhaberpreise erzielen. Lorsch sprach etwa ein halbes Dutzend Sprachen sowie diverse Dialekte.

Mal hatte er Geld und mal keins, mal fuhr er mit dem Taxi und mal ging er,  früher immer seine Baskenmütze tragend, zu Fuß. Auch der lange Seidenschal fehlte selten und ebenso wenig die zierliche Pfeife mit langem Schaft. Man findet ihn auch im Rollkragenpullover rauchend und Rotwein trinkend im Club der Existentialisten in der Hamburger City, wo man diskutierend bis in die Nacht im Sommer auf den Eingangsstufen saß (G.Klose).  Später konnte er sich ein Mercedes Cabrio 220 Ponton Classic leisten und bisweilen im feinen Lokal Jacob an der Elbchaussee dinieren. In den dortigen Kreisen war er ausgesprochen bekannt und beliebt, auch weil er meist gute Laune verbreitete. Mit Gitarre oder Ukulele soll er mancher hübschen Frau ein Ständchen gebracht haben. Er war durch und durch musikalisch und beherrsche auch die Violine. Gerne ließ er sich bei Familien unterbringen und bezahlte diese mit seinen Bildern, so dass einige deren Erben heute ein Dutzend oder mehr Bilder des Malers besitzen. Mit seinem Cabrio fuhr er an Wochenenden mit meist zwei, drei jungen Damen hahnenstolz die Uferpromenade entlang. Bei einem Besuch des Studienratsehepaares Plagemann in Bad Schwartau fuhr er mit den beiden einmal durch Lübeck, wo viele Menschen hinter ihnen herschauten. Da rief er laut hinaus: “Was glotzt ihr so, ihr Spießer“, was den Plagemanns sehr peinlich war und sie in die hinteren Ledersitze sinken ließ. Zu dem Kreis um den Priester Klose gehörte als Gemeindevorsteher auch der Saatgutunternehmer und Grundbesitzer Erhard Eger, der mehrere Bilder von ihm kaufte.

Als er später wieder in Hamburgs Westen zog, war er besonders in Blankenese bekannt wie ein bunter Hund und hatte seine Freunde von den Selbständigen vor Ort bis selbst bei der Polizei, wo in der Wache ein Bild von ihm hing. Dort lebte er zeitweise auch in der Villa einer Dame Frau v. Jena im Hochkamp. Einige weitere Jahre hatte ein Atelier im Bockhorst 22 unter dem Dach eingerichtet, wo er häufig nachts arbeitete und dann bis in den Tag hinein schlief. 1963 lernte er eine Frau Kass kennen, eine junge Friseurmeisterin in Nienstedten. Bei der „gnädigen Frau“, lieh er sich, die Hand küssend, diverse Male kleine Geldbeträge. Als sie das Geld dann zurückverlangte, bot er ihr ein schönes Gemälde, eine Gartenlandschaft, an. Sie ging gerne auf den Tausch ein. Einige Zeit später wollte sie ihre Wohnung im Erdgeschoß mit der Penthauswohnung tauschen, sollte dafür aber 300O,- DM Abstand bezahlen, worin auch Küche und einige Möbel enthalten war. Diesen Betrag konnte sie aber nicht aufbringen. Als der Hausbesitzer Becker sie zu einem Gespräch aufsuchte, sah er das Lorsch- Bild und war sofort begeistert. So tauschte Sie das Bild gegen den Abstand und bekam das Penthaus. Oft erzählten sich die Leute in Blankeneses Gassen schon am Morgen:“ Der Graf sitzt wieder unten am Elbstrand, trinkt und malt“, (lt. Ehepaar Rahloff Jan 2015), aber tagsüber lieber wenig und wenn dann kaufte er nur Single Malts und gute Cognacs.   An Sommertagen  malte er auch häufig barfuss. In dieser Zeit hatte er vor Ort enge Kontakte u.a. zu den Familien Bremer, Rahloff (Blumenladen), Meinert (Fleischerei), Schlag (Gasthof), in dem er alle Stammgäste zeichnete. Diese Bilder hingen lange Jahre im Gastraum) und Jürgen Spalleck, einem ehemaligen Geheimdienstler und späteren Hotelier in Hittfeld, dort auch zu Eduard Prange, Inhaber des Gasthauses „Krohnwinkel“, sowie zu Herrn Dr. Oberhoff in Wedel, dessen Frau er portraitierte und mit der ihm eines seiner vielen Verhältnisse nachgesagt wurde. Auch mit dem Polizeiobermeister Böttcher hatte er eine besondere Beziehung. Der verzichtete öfter darauf, ihm nach einer Schlangenfahrt den Führerschein abzunehmen, Ja er ließ ihn sogar bei sich zu Hause den Rausch ausschlafen, und kaufte ihm eine Reihe von Bildern ab, die heute mit weiteren in der Familie der Tochter hängen. In diese Zeit fiel auch die Scheidung von seiner zweiten Frau Sylvia. Diese, in ihrer Enttäuschung, versuchte ihn daraufhin für unzurechnungsfähig erklären zu lassen. Als ihn der Amtsarzt Dr. Scheider aufsuchen wollte, verwehrte ihm v. Lorsch mit einem Stuhl den Zugang zur Wohnung. Das Verfahren wurde später eingestellt. Nach Jahren traf er zufällig Dr. Scheider wieder und sie wurden Freunde. Der Arzt kaufte bis 1980 über 20 Bilder von ihm. Einige Zeit lebte er auch Am Quellenhof in Nienstedten und hatte dort einen Herrn Sperber zum Bekannten. Zudem gibt es Portraits eines gewissen Herrn Kurt Joachim Bermann und der bekannten Schauspielerin Tilla Durieux, die Kunst förderte (in erster Ehe mit dem Maler Spiro verheiratet, in zweiter mit dem Sammler und Galeristen Paul Cassierer). Sie lebte in Berlin gastierte aber 1963 länger am Hamburger Schauspielhaus. Ein sehr schönes Portrait von ihr von v. Lorsch gemalt, hing auch im Foyer des Bremer Theaters am Goetheplatz. Möglicherweise hat er durch sie seinen Kontakt zu dem mit ihm später bekannten Maler H.M. Purrmann im Tessin kennengelernt, der mit ihr korrespondierte (Biogr. Purrmanns, B.u.E. Göpel). Bei seinen Reisen ins Tessin begleitete ihn bisweilen auch der ältere Malerkollege Paul Eckermann. Zuvor entstand auch ein Portrait des Fotohändlers Sch. (Schwabroh -Hamb. Abendbl. 6.10.1951). Rahmen ließ er viele seiner Bilder bei der Fma. Anton Rötger in Ottensen (noch heute in Familienbesitz). Mitte der 60iger Jahre logiert er bisweilen bei einer Frau Jakobsen in Alsterdorf. Diese erhält von ihm ein großes Ölgemälde der Londoner Cityline. Ebenfalls malte er die prominente Chansonsängerin Alexandra, die 1972 früh mit 33 Jahren, nach einem Autounfall verstarb (1975 kopierte er das Bild). Dieses Gemälde von ihr in einem wirbelnd hellblauen Kleid verrät seine ganze Wertschätzung für das weibliche Geschlecht. Zu seinen guten Bekannten gehörte in jener Zeit auch der Arzt Dr. Sagebiel aus Rissen, Oberarzt am AK Altona, dessen Haus v. Lorsch malte. Um 1970 lernte er die fesche Friseurmeisterin Doris Kass in Othmarschen kennen und befreundete sich mit ihr. Sie lieh ihm mehrfach kleinere Geldbeträge, wofür er ihr ein schönes Gemälde, eine Gartenlandschaft, malte. Auch in den diversen Cafes und Restaurants am Elbufer, wie Sagebiels Fährhaus, hingen Bilder von Lorschs, teilweise heute dort noch vorhanden. Aktuelle kommen gerade in Blankenese immer wieder Ölgemäldes des Malers in den Verkauf, besonders im Antik- Laden Klaas (seit 2020 geschlossen).

Ab Mitte der 70iger Jahre dürfte er dann ganz in Winterhude gelebt haben, wo zahlreicher Bilder der Alster entstanden. Er lebte bis zu seinem Tode am Leinpfad 27 in der oberen Etage einer Villa (heute durch modernes Appartementhaus ersetzt). Er malte aber auch südlich der Elbe so bei Hittfeld, Buxtehude und Stade. Er reiste auch weiterhin, bes. nach Paris, Tessin, Norditalien (Bildnis Silvano, 1950- wohl der jugendliche Bildhauer Silvano Bertolin (geb. 1938), Cassara della Deliza, Friaul- Venetien, dieser lebte damals bereits in München und ist einer der bekannteste Restaurator seiner Zeit weltweit von Werken der Bildhauerei  bes. aus Marmor) und nach Österreich, z.B. Gemälde von Zell am See aus den 60iger Jahren. Auch im Schwarzwald malte er.  Er war in dieser Zeit mit Helga verheiratet und hatte mit ihr zwei Jungen und ein Mädchen. Sie war eine geb. Meyer, Tochter eines Großbauern aus den Vierlanden. Kennengelernt haben sich beide offenbar, als er die Reitbrooker Mühle malte. In deren Scheune hatte er auch seine Bilder eingelagert, um sie vor der Beschlagnahmung durch den Gerichtsvollzieher zu schützen. Er hatte damals zeitweise Zahlungen nicht leisten können. Nach der Trennung durfte er seine geliebten Kinder nicht mehr sehen. Weihnachten aber fuhr sie die Mutter vor sein Haus und er durfte ihnen zuwinken. Diese Gesamtsituation hat ihn sehr mitgenommen. Später traf er sich öfter mit dem ältesten Sohn aus dieser Ehe, Alessandro, zum Essen oder Umtrunk. In Winterhude hatte er auch schon früh einen guten Bekannten, den jungen Unternehmer Schr., der 20 Jahre jünger war. Auch dort wurde er stets gut versorgt, man trank gerne zusammen, auch mit der Rudermannschaft bei der Sch. im Achter ruderte. Bei ihm übernachtete v. Lorsch auch bisweilen. Seine Stammkneipe hatte der Maler im Hofweg. Bei finanziellen Wohlergehen, das zu seinem Lebensende immer seltener vorkam, dinierte er noch immer in vornehmen Lokalen und genoss Einkäufe im Delikatessenladen Michaelsen.  Bilder v. Lorschs hingen auch, nach Aussage dieses Freundes, in einem Gasthof in Rahlstedt. Und ein monumentales Bild einer Woge im Schankraum des heutigen „Kartoffelkeller“ im Zentrum Lübecks. Obwohl er seine Bildergut regelmäßig verkaufte, zerrann ihm das Geld förmlich zwischen den Fingern und er stopfte immer nur vorher entstandene Finanzlöcher. Bei seinen Malbedarfshändlern stand er manchmal mit über 6000 DM in der Kreide. Dann verkaufte er Bilder auch wieder sehr preiswert, um das Überleben zu sichern (Dr. Bertelsen- ehem. Wandsbek).

Bereits um 1960, mitten in einer Phase des steilen Aufstiegs, zerstritt sich von Lorsch mit der Galerie Commeter.“ Offenbar fühlte er sich übervorteilt“, so Tancred Flemming, in den 1970igern Mitarbeiter bei Commeter (Sohn des bekannten Kunsthistorikers Prof. Dr. Hans Theodor Flemming). Tatsächlich erhielt er oft wohl etwa nur 1/10 des Preises, den die Galerien erzielten. Im Zuge dieses „Eklats“ stellten ihn auch andere Hamburger Galerien nicht mehr aus und er begann wieder mit einem System der ambulanten Vernissagen in den Stadtteilen und an den Orten wo er im In- und Ausland malte. Diese Tatsache der Ausgrenzung war so etwas wie ein „Karriereknick“ und man sieht hieran, wie der Kunstbetrieb mit den Künstlern umgeht und welchen Einfluss er auf Ihre Bekanntheit hat. Damals wandten sich in der Folge auch die Kritiker ab und schwiegen den vor Monaten noch Gefeierten tot.

Dennoch verkaufte er weiterhin gut seine Bilder (s.v.), so auch an den Arbeitgeberverband Nordmetall (noch dort- Ölbild Köhlbrandbrücke, über 1.50 m breit, ca. 1975, starke Gelbtöne im Abendhimmel)) und Radio Bremen (um 2010 versteigert). In Bremen malte er nach Aussagen seines engen Bekannten, dem Priester Günter Klose (der aus Bremen stammte, dann Bad Schwartau u. heute Münster/Westf.), 1961 auch wieder zusammen mit Kokoschka. Auch im Casino Hamburg- Hittfeld hingen vor dem Brand mehrere große Ölgemälde v. Lorschs. Dort hatte er sich zeitweise häufig mit dem„alten“ Kowalke (Vater von Rüdiger K., Großvater von Dirk K., Fischereihafenrestaurant)  und anderen  Bekannten „zum  Kartenspielen“ getroffen. Dem Hamburger Rechtsanwaltsverein schenkte dessen Versicherung (Preis 5000 DM) ein sehr dekoratives halbabstraktes Bild (Blütenmeer), das dort heute noch im Geschäftszimmer im Justizgebäude hängt.

In dieser Zeit, sporadisch schon ab 1955, hatte er auch einen Kreis von Liebhabern seiner Bilder um den Pfarrer Günter Klose in Bad Schwartau (auch sein Beichtvater) und die Lehrer und Gemeinderäte, das Ehepaar Plagemann- zusammen über 40 Bilder, darunter zahlreiche großflächige religiöse Motive und hübsche abstrakte Kompositionen. Meist malte er im Pfarrhaus oder den Häusern der Familien (Angabe Frau Plagemann). Auf ein großes Bild in Öl mit dem Kopf Jesu mit Dornenkrone schreibt er auf die Rückseite ein eigenes Gebet für den Priester Klose. Aus diesem sprechen auch sein Schmerz über das eigene Leben bis zu diesem Zeitpunkt und auch eine gewisse Einsamkeit. Auch ein Herr Erhardt Eger, damals Bad Schwartau, erwarb einige Lorsch- Gemälde (heute bei Tochter Beate Brand im Sauerland), Eger war Saatgutproduzent und Großgrundbesitzer und Kirchenvorstand in Bad Schwartau. Einige seiner Bilder kaufte auch das Heiligengeist- Hospital in Lübeck.

Übrigens regte er sich jedes Mal auf, wenn er mit Freunden (lt. Pfarrer Klose) am Bismarck- Denkmal am Hamburger Hafen vorbeikam (das er auch nie malte), wohl weil der Reichskanzler etwas mit der Enteignung seiner Familie im 19. Jh. ( d.h., den „Reichsgrafen“ insgesamt) zu tun gehabt hatte oder er seine Mutter, die vor Kriegsende bei den Bismarcks auf Gut Schönau Unterschlupf fand, nicht als gut genug behandelt empfand (lebte in einem Wohnwagen).

Schon früh kaufte der 2016 verstorbene Schauspieler Uwe Friedrichsen mindestens zwei Bilder, die im Oktober 2016 versteigert wurden, eines davon ein halb- abstraktes Tessin- Motiv. Immer wieder werden Bilder in namhaften Auktionshäusern versteigert, wie Stahl und Greve in Hamburg, Aldag Stade, Fischer Luzern.

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Der Maler mit Ehefrau Sylvia v. Pogrell und seinem Beichtvater Pfarrer Günter Klose
Obst türkies, rot, gelb mit Hummern
Stadtansicht Bremen,1961 (zusammen mit Kokoschka auf Maltour)
Akt, um 1980,Angela, ital. Aussprache
Am Teufelsmoor, um 1960

Sein Stil

Sein Stil- von traditioneller französischer Ordnung zum Fauvistisch- Expressionistischen und darüber hinaus

„Deutschland weiß gar nicht, was es an mir hat“„ so Sandro von Lorsch 1972 (Winsener Zeitung 2/1972, WE- Beilage 29.01.1972)) trotzig in einer schwierigen Phase seiner Karriere.

Er war, nach Stand der Recherchen schon als Kind Schüler seines Vaters, den er in einem Artikel später als „sehr talentiert“ bezeichnet und malte schon als Jugendlicher und vor dem Krieg, was seine damaligen Nachbarn bestätigten. Durch den kunstbegeisterten, fachkundigen Vater lernte der junge Sandro die Sammlungen der Museen Hamburger Kunsthalle, Louvre Paris und besonders auch des bedeutenden Szpmúveszeti Museums in Budapest kennen. Vielleicht auch den Prado in Madrid und die London National Gallery. Für zwei Semester finden wir ihn 1937 an der Kunstakademie Dresden eingeschrieben, wo ihn der junge Prof. Otto Klein unterrichtet (wird in den Listen der Akademie nicht als ordentlicher Professor geführt), hierbei handelt es sich aber tatsächlich nicht um den gleichnamigen Schweizer „Graumaler“, sondern um 1904 in der Ukraine geborenen O. Klein (siehe wikipedia), der 1922 nach Bad Salza in Thüringen übersiedelte und die später nach ihm benannte Restauratorenschule in Köln leitete und zahlreiche Bilder großer Meister sowie Skulpturen restaurierte. Er war ein außergewöhnlicher Kenner von Maltechniken und der Farbenchemie und dürfte v. Lorsch dieses Basiswissen vermittelt haben wie auch wichtige leitspruchartige Ratschläge, so wie: “Der erste Strich ist Gold, der zweite Silber, der dritte Blei“. Er sprach vom „Geist“ guter Bilder, „die mehr sind als bemaltes Papier“.  Und weiter: “Sie haben die Möglichkeit, einen lebendigen Strich zu erzeugen. Sie können auch einen langsamen und einen schnellen Strich unterscheiden“. Ihm waren die Maler Diego Velazquez, Jean- Honore Fragonard  (den er als Mystiker sah und dessen locker Malweise und grobe Pinselführung ihm gefiel) und besonders der Kirchen- und Klostermaler Francisco de Zurbaran („mein Maler“) wichtig (Angaben nach: Otto Klein- Restaurator. Vlg. Hanstein, 1994). Von Lorsch sprach in dem Artikel 1991 zur Ausstellung in Worpswede auch von wichtigen Besuchen in Düsseldorf, dort war Otto Klein verschiedentlich für Museen restauratorisch tätig. Otto Klein könnte v. Lorsch auch ermuntert haben, biblische Motive zu malen. Lorsch malte häufig nach eigenen Skizzen und Zeichnungen im Atelier, aber auch aus der Erinnerung heraus, ihm wird ein fotografisches Gedächtnis nachgesagt (F. F. Eggers u.a.), wie es etwa auch der französische Malerrebell und Mitbegründer der Moderne Camille Pissarro besaß, der seinen Sohn Lucien anwies, ebenfalls aus dem Gedächtnis heraus zu malen: “Deine Beobachtungen aus der Erinnerung heraus gemalt werden sehr viel kräftiger sein und originärer denn jene direkt in der Natur gemachte“.

Als v. Lorsch eingezogen werden sollte erklärte er: „Ich bin doch Maler und kein Soldat“. Was ihm viel Ärger und Schläge einbrachte und ihn schließlich abtauchen ließ (s.v. bei Kokoschka in Prag und dann über Budapest). Die Nazis vernichteten auch seine Bilder, jedenfalls jene, derer sie im Elternhaus habhaft werden konnten. Aus der Zeit vor 1945 sind bisher nur vier (H. Lorsch signiert, das andere mit verkehrtem L in Schreibschrift, Kohlekähne, Paris 1939), ein signiertes Bild einer Kirche, wohl aus derselben Zeit und signiert. Wahrscheinlich ein Seitenschiff der Kathedrale von Chartres, von ihm bekannt und möglicherweise einige undatierte Skizzen aus Südengland sowie das Alpenbild von 1935 ganz naturalistisch und ein ihm zugeschriebenes Venedigbild. Diese Bilder, noch gegenständlich, zeigen seine malerische Frühreife. In seiner kurzen Paris- Zeit 1939/40 lernt er den Maler Chaim Soutine (1893- 1943) kennen. Dieser wird ihm zum großen Vorbild (Soutine malte im Atelier u.a. mit Chagall, Leger und Modigliani, dessen Freund er ist- Picasso ist dessen guter Bekannter- seine Werke erzielten damals schon Höchstpreise, heute im zweistelligen Millionenbereich). Wie wohl kein anderer vereint Soutine die klassische Malerei Frankreichs und Hollands mit der Moderne.

Dessen große Vorbilder waren Cezanne aber auch Rembrandt, Van Gogh und der düstere Goya. Soutine erzielte schon damals für seine Bilder Höchstpreise bei (späteren Auktionen bis 25 Mio. €). Von Soutine schaute sich v. Lorsch wohl die Techniken ab, Licht in Düsterkeit und Nacht zu bringen. Waren von Lorschs Bilder zunächst gegenständlich, Ölbilder wie Aquarelle und Zeichnungen nahmen sie jetzt expressionistische, genau genommen soutinsche und fauvistische Elemente/Farben auf, wobei die Motive aber immer erkennbar blieben. Hierin hatte ihn wohl auch der Maler Pierre Bonnard bestärkt, den er 1938 in Paris kennen und schätzen lernte. Ebenso Maurice de Vlaminck, wie v. Lorsch zunehmend bereits ein Mann der Farben, gelb, Rottöne und besonders Blaugrün und Aquamarinblau. Anlässlich seiner Ausstellung in der Hamburger Gallerie Commeter schrieb ey  im Hamburger Abendblatt am 27.7.1951: “Spontan sind die Bilder hingeworfen, gegenständlich und voller starker farbiger Spannungen. Immer wieder ist es ein bestimmter Akkord von hitzigem Blau-Gelb-Orange-Rot, Grün., der explosiv alles durchbricht, was an stilleren, weniger dramatischen Wirkungen die Landschaft des Nordens in sich trägt. Jede Kühlung durch graue Töne fehlt, und ein Schwarz sucht man vergebens. Dieser Überschwang hat etwas Heftiges, Ungestümes, man möchte sagen südöstlich Grelles. Aber es fesselt und kommt aus einer natürlichen Begabung., die wohl noch einiges zu sagen haben dürfte.“  Oft malte er im Atelier nach Bleistiftskizzen und Kohlezeichnungen, die er vor Ort angefertigt hatte.  Bisweilen aber einfach nur aus „seinem fotografischen Gedächtnis heraus“ (RA F.F. Eggers). Besonders die Landschaftsbilder bekamen nun oft eine genuine Perspektive und bisweilen im Detail schalkhafte Anmutung. Der Maler zog Randmotive außerhalb des Blickwinkels (Fishey- Objektiv -artig) in den Bildkontext, beließ sie aber nicht als kleinere Randmotive, sondern gab ihnen eine gleiche Stellung wie den Objekten im Zentrum der Gemälde. In anderen Bilder, wie z.B. den Wellen vor Sylt , kommt eine starke 3-D- Perspektive zum Tragen. Diese Eigenarten geben seinen Bildern eine eigentümliche Einzigartigkeit ebenso wie die stark überhöhende oder gänzlich verfremdende Farbgebung, die schon in seiner gegenständlichen Zeit nach dem Krieg beginnt (Bild Reinbek Jahrmarkt Loddenallee)- lila Eichenstamm, orangener Unterton, der Himmel  eine Mischung aus pink/helllila oder die übersteigerten Farben schon im Bild des Bergedorfer Hafens von 1945 oder auch die türkis- farbenen Weintrauben in einem Stillleben) oder Wolken wie parzenhaft aufgeblasene Gesichter (Salisbury- Bild, dort Aufenthalt noch einmal 1956), die zart- farbenen Wirbel an Chagall erinnernd oder auch an Cezanne (z.B. Badende Frauen unter einer Brücke). Bisweilen scheinen die Gebäude und Türme zu tanzen. Den Zusammenhang von Wetter, Licht und Stimmung erkennt man besonders gut in seinen Hamburger Hafen- und Halligbildern, die etwas an Nolde erinnern lassen. Ganz ähnlich und doch immer neu eingefangen- deshalb sind es auch keine „Kopien“, wie mancher ihm schon zu Lebzeiten vorwarf. Wir werden das in einer späteren Ausstellung herausarbeiten. Die Objekte betreffend verließ er auch mehr und mehr die Parallelperspektive.

Gerne portraitierte er Menschen in Gasthäusern oder aus seinem Freundeskreis spontan in Form von Zeichnungen. Es liegen auch Selbstportraits vor. In den 70iger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann er auch gänzlich abstrakt zu malen, wie zahlreiche Ölbilder und Zeichnungen belegen. Wie Kokoschka spät, in England, das Malen mit Farbstiften für sich entdeckte, tat dies v. Lorsch bezüglich Ölkreidestiften. Andere Gemälde, wie besonders jene späteren aus der Schweiz, sind z.T. einem beinahe kubistischen Stil (der ansonsten die runderen „Fauve- Formen“ bevorzugte), wohl eher den rechteckigen Häuserformen geschuldet, abgefasst, dazu zunehmend reduktionistischer. Waren sie doch früher ähnlich wie in den diversen Dorfansichten des frühen Cezannes, relativ realistisch und geordnet.  In der Schweiz hatte er auch einen Kreis von Anhängern, Unterstützern und Sammler und er verkauft dort auch seine nicht vor Ort entstandenen Bilder. Mehrmals hielt er sich im Raum Lugano auf und malte gerne in und bei der Ortschaft Montagnola. Ein Zeitungsartikel von 1971 charakterisiert seinen Stil als „elementar und zugleich universal“, ein anderer von 1959 bezüglich seiner Italienbilder bezeichnet diese als „frisch und temperamentvoll“. Die Kulturredakteurin der Wümme- Zeitung/Weserkurier (tag) bezeichnet ihn 1991 anlässlich einer Ausstellung in Worpswede als „Expressionisten, der das Abzubildende bis zum Kern auflöst und neu reflektiert – aus dem eigenen Erleben heraus“.  Karl Kühne (Hann. Allg. Ztg. V0m 13. Mai 1956 bescheinigt ihm „berserkerhaften Mut zur Farbenfreudigkeit“ und einen hohen „Grad an Imaginationskraft“, ein R.I. im Jahr zuvor (25.11.1955) im selben Blatt spricht von einem „ungewöhnlich sensiblen, hellwachen“ Künstler , dessen „Pinselführung etwas Schwebendes“ anhaftet. Im Gegensatz zu allen früheren Aussagen in Artikeln oder durch Zeitzeugen, spricht er hier auch erstmals von einer USA- Reise, die dann wohl zwischen ca. 1975 und 1990 stattgefunden haben muss. Es ist gut möglich, dass er sich dort auch mit dem sogenannten „Abstrakten Expressionismus“ auseinandergesetzt hat, dessen Maler in den 40iger Jahren teils von Paris nach New York übersiedelt waren oder sich aus anderen Regionen der USA dort niedergelassen hatten, wie Mark Rothko, Barnett Newmann, Helen Frankenthaler, Willem de Kooning oder Arshile Gorky. Die Hochphase dieser Malrichtung lag in den 60iger Jahren d.v.Jhs.. Diese sehr intuitive, spontane, „wilde“ Malerei dürfte ihn stark beeindruckt und in den 1970/80igern beeinflusst haben.

Ein Kontakt bestand auch zum Krupp- Manager und Mäzen Berthold Beitz in Essen, der mehrere Bilder von ihm erworben hatte (s.v.), die sich aber nicht in der Villa Hügel oder im Folkwang- Museum befinden. Seine Stiländerungen betreffend kann man sagen, dass diese nicht abrupt erfolgten, sondern sich zeitlich stark überschnitten: Gegenständlich 1934- 1960, fauvistisch- expressionistisch 1947- 1985, abstrakt 1970 – 1991, oft große Bilder besonders farblich und großflächig z.T. etwas an Paul Klee erinnernd, aber eher dekorativ gehalten. „Seinen“ Stil fand er sicherlich in der mittleren, expressionistischen, Phase. Sehr schön lässt sich die Entwicklung an Bäumen in seinen Bildern nachvollziehen, die er schon früh oft fast gerade aufragend, häufig im Winter, also ohne Blätter. Sind es anfangs noch die ganzen Bäume, sind dann auch Kronen ausgedünnt, nur noch wenige Äste; später dann sind es nur noch Stämme, die fast abstrakt, oft rot, dastehen, in karger Landschaft, die an Moore erinnert. Da er sehr viel gemalt hat, im Gegensatz zu seinem Meister und langem Vorbild Kokoschka, gibt es eine Reihe seiner Bilder, die sehr „nachlässig“ gemalt erscheinen, aber zweifellos auch einige hinreißende Meisterwerke wie etwa die Nachbilder von Hafen und Alster, von denen es nur sehr wenige gibt. Aber gerade wenn er Motive mehrfach gemalt hat, fallen die qualitativen Unterschiede deutlich auf, aber auch das Spiel mit Nuancen im Stil.

Allerdings spielen bei v. Lorsch auch die Farben eine gegenüber den Motiven zunehmend bedeutende Rolle, ihre Kraft und Originalität, so bricht das Sonnengelb förmlich durch die Wolkendecke, strahlen Häuser ziegelrot und lindgrün die oxidierten Kupferdächer der Hamburger Innenstadt oder rosa- wirbelnd der Himmel über dem Lago maggiore. Die in kräftigen Blautönen gehaltenen Ölbilder von Zell am See, nur Schatten von Ortschaft und Gipfeln, etwas an Corinths „Vierwaldstättersee“ 1924 erinnernd. Ein antidepressives Kontrastprogramm zur grauen Realität jener Jahre aber ganz und gar passend zur Aufbruchstimmung im Mitteleuropa jener Zeit. Mal sind es die Stimmungen, Herbst, vor dem Sturm, am frühen Abend und mal die Objekte, die mehr im Vordergrund seiner Betrachtung stehen. Häufig interessierten ihn letztere als „Ensemble“, nicht jenes Gebäude, nicht jene Landschaft, sondern Gebäude in ihrer Umgebung als Kultur- oder Naturlandschaft, z.B. Katen am Weg bei Ohe (Gemarkung Reinbek), Reinbek am Rosenplatz, Bauernhäuser mit Mühle auf der Warft, Hamburg Großneumarkt mit Herbstbäumen, Häuschen am Moor, Zell am See mit Seeufer und Alpenpanorama, in Paris Pont Neuf und Montmatre usw.. Auch in der Nacht ist diese nicht schwarz, noch grau, nein, sie leuchtet. Menschen tauchen in diesen Bildern teilweise gar nicht auf oder sind nur schattenhaft angedeutet. Wenn er Menschen malte, dann als Portraits (Industrielle, Intellektuelle, Kollegen wie Schmidt- Rottluff) oder bei ihren Beschäftigungen z.B. Blumenbinderinnen im Geschäft Rahloff, Blankenese oder seine Freunde am Tresen im Gasthaus. Bis auf die Skizzen sind seine Arbeiten  meistens vorne signiert, zu ca, 80 % rechts: Lorsch, S.v. Lorsch, Sandro Lorsch, Sandro von Lorsch, Sandor Lorsch, H.Lorsch.  Bei der Auflösung der Galerie Schwabroh am Jungfernstieg erzielten v. Lorschs Bilder Höchstpreise (vor Nolde und Schmidt-Rottluff – lt. RA F.F. Eggers, Großhansdorf, v. Lorschs Anwalt). Auch die Direktion der Deutschen Bank in Hamburg kaufte mindestens ein Bild (fast abstr. Segelregatta, 70iger Jahre). Ein Hapag Lloyd – Vorstand kaufte ein Bild vom Schloss Ahrensburg.                                                                                                            

Auch zwei weitere Quellen sagen, dass von Lorsch malerisch von Oscar Kokoschka beeinflusst war (s.v. Prag), der auch in den 60iger Jahren  in Hamburg weilte und Bilder der Stadt und des Hafens sowie Kulissen für die Staatsoper malte. Einem Artikel aus dem Mailänder Libera Stampa 1957 zufolge war er tatsächlich Schüler Kokoschkas, das kann nur 1937/38 in Prag der Fall gewesen sein. Es gibt Prag Bilder von Lorschs, und eventuell malten die beiden später zusammen in Hamburg, besonders am Hafen, weitere 1961 gemeinsam in Bremen. Laut dieses Artikels gab es ein Bild Budapests, das er „aus der Erinnerung heraus“ gemalt hatte. Exakt dieselbe Formulierung benutzte Kokoschka bezüglich seines letzten Prag- Bildes, das später in England entstand. Es gibt einen Hamburger Sammler, der jetzt in Spanien lebt, der von beiden Malern Bilder besitzt. Von Lorsch hatte laut Zeitzeugen auch guten Kontakt zum Direktor der Hamburger Kunsthalle, Herrn Hofmann, wie u.a. ein, bisher unzugänglicher, Briefwechsel belegt soll, den der Vermögensverwalter aber noch nicht veröffentlichen darf. Laut Herrn Bremer (Flottbek, Eidelstedt) hat dieser mindestens zwei Gemälde von Lorschs angekauft. Von Lorsch war auch für die Stadt Hamburg tätig und wurde beauftragt (Hamb. Abendblatt 1971), ein großes Ölgemälde für die damalige sogenannte „Schwimmoper“ an der Sechslingspforte, zu malen, das dort in St. Georg offenbar seit 1973 hing, aber seit der Sanierung des Gebäudes spätestens seit 2007 als verschwunden gilt. Sein späteres Markenzeichen waren cognacfarbene Kamelhaarmäntel und stets elegante Bekleidung, d.h. Hemden mit immer frisch gesteiften Kragen, Manschettenknöpfen und Krawatte. Der Gelegenheitsraucher bevorzugte Lucky Strike. Der gläubige Katholik (malte häufig Kirchen/Kathedralen) ging öfter in ein Gotteshaus und tat Abbitte für seine Sünden (Affären, durchzechte Nächte…), indem er dort Kerzen entzündete und betete und bisweilen beichtete. Sehr getroffen hatte ihn die Trennung von seiner dritten Frau, der die drei Kinder zugesprochen wurden, die der kinderliebe Maler erst wiedersah, als sie 16 wurden. In jüngeren Jahren malte er auch sehr schlichte, fast stilistisch naive Marienbilder.  Der stets gesunde und meist fröhliche Maler und Bohemien starb 1992 trotz notärztlicher Hilfe in Folge einer Nierenbeckenentzündung nach Monate langem Leiden in seinem Haus im Leinpfad 27 (24?) an der Außenalster in Gegenwart seiner letzten Frau. Trotz fünf Ehen und vieler Liebschaften war er aber wirklich wohl nur mit den Farben, seinen Farben, und geliebten Locationen verheiratet. Sein Anwalt Eggers, der ihm in seiner Kanzlei zeitweise ein Atelier einrichtete, beschrieb die Entstehung eines Bildes bei v. Lorsch als“ einen Schöpfungsakt, der meist etwa fünf Minuten dauerte, in denen der Meister wie in Trance oder auch Extase das Bild entwarf- dann sagte er ganz gelassen, der Rest ist handwerkliche Tätigkeit“. Dennoch dauerte besonders die Farbgebung dann doch meist viel längere Zeit. Sein Freund G. Klose bestätigte diese Aussage und fügte hinzu, „wenn das Bild dann fertig war, saß er nur noch vollkommen erschöpft, ja ausgelaugt in einer Ecke und sprach manchmal stundenlang nicht“.  Das Ehepaar Plagemann in Bad Schwartau war allerdings der Meinung, dass er sich bei vielen Bildern auch länger Zeit ließ, insbesondere bei Portraits. Kurios ist auch, dass er öfter Bilder wieder übermalte, auch zurückverlangte und verbesserte, wütend war, wenn man sie ihm nicht gab, sie zurückkaufte, oder auch Bilder anderer Maler übermalte, besonders gleich nach dem Krieg- „die taugen nichts“, pflegte er dann zu sagen, und: „Endlich hab` ich wieder eine Leinwand“. Manchmal schloss er sich stundenlang in der Toilette ein, trank dabei auch gerne, und schoss schließlich heraus und rief: „Ich habe eine tolle Idee“, um sofort mit dem Malen zu beginnen (Maria Plagemann, Bad Schwartau).Einmal hatte er einen großen Baum gemalt, der ihm aber nicht gefiel, das noch ganz feuchte Bild gestaltete er mittels eines Spachtels in wenigen Minuten um und daraus wurde der Kopf Jesus`, in einer hervorragenden expressionistischen Qualität, lt. G. Klose, der dieses Bild besitzt. Darin ähnelte er seinem früheren Freund und Vorbild, dem Maler Soutine. Mit diesem verbindet ihn auch malerisch einiges, wie bereits erwähnt. Bei Soutine finden wir stark „beseelte“ Bilder, spätestens seit der Ceret- Zeit.  Die Häuser auf den in den Himmel aufgewölbten Hügelkuppen sind umgeben von wilden Wolkengebilden, darin Fratzen, Gesichter von Hexen, herabschauende Augen… Auch die in der berühmten Baumserie sind es nicht die Bäume die knorrig sind, sondern die ganzen Landschaften, dazu geheimnisvoll, vertraut wie die Umgebung der eigenen Kindheit und doch etwas gruselig. Bei v. Lorsch finden wir solche Elemente ähnlich, verstärkt mit der zunehmenden Abstraktion und fast grellen Farben in seinem Werk (Bäume am Weg 1973, Acryl).  Sind es zunächst nur versteckt angedeutete Boote am zerfaserten Flussufer, sind es später Kinder und Tiere, die in Bäumen zu schweben scheinen oder Schiffsschatten unter gewitterschwerem Himmel. Manche dieser Schiffe erscheinen selber beseelt in ihren verzogenen Körpern vor den sich aufschraubenden Helgen der Werften, die den Hintergrund für Dramen bilden könnten wie in klassischen Bildern die gewaltigen Ruinen von Tempeln. Oder auch die wirbelnden Wolkenwinde um die Türme von Kirchen und Kathedralen, in ganz zarten Tönen gemalt, hatten für den gläubigen Lorsch sicherlich eine Bedeutung. Oder es sind sich wie wahnsinnig im Todeskampf veitstänzerisch daherkommende Fasane und Papageien oder im Bild „corrida“ wohl wilde Stiere (in Pamplona?- erstes bekanntes abstr. Bild, 1961 !) und in der gänzlich abstrakten Spätphase wundervolle Kompositionen die wie Blumenmeere wirken, in die man sich hineinlegen möchte; übrigens ganz im Gegensatz zur anderen Schiene seiner späten gänzlich abstrakten Malerei, die gekonnt musterartig und  modern- dekorativ (dem seit dem 2. Weltkrieg aufkommenden Tachismus ähnelnd) genannt werden könnte. Sie entsprach dem Zeitgeist und er hat hiermit im Alter offenbar schlichtweg Geld verdienen wollen, was man ihm wegen der angespannten materiellen Situation sicherlich nachsehen kann, dem, der sein Künstlerleben lang sich dem Opportunismus weitestgehend widersetzt hatte. Sicherlich kann man v. Lorsch als Spätexpressionisten (eine gewisse malerische Ähnlichkeit, bes. die Stadtbilder und landschaftlichen Aquarelle betreffend, zu Erich Heckel) bezeichnen, jedoch war v.Lorsch auch nie politisch wie viele Künstler des deutschen Expressionismus, wenn er auch antifaschistisch, aufgrund seiner tiefen, traumatischen Erfahrungen mit den Nazis,  dachte. In gewisser Weise kann man ihn auch als Kind der sog. Modernen Ersten École de Paris sehen (etwa 1900 bis in die 50iger Jahre hinein). Hier sind die Bezüge weniger zu Mirò oder Chagall herzustellen als eben zu Soutine (mit dessen Rückbezug auf de Goya, Rembrandt, Van Gogh, Cezanne) und solchen Malern, die noch oder wieder traditionelle, ordnende Elemente in ihre Arbeiten gebracht haben, bis in solche v. Lorschs am Rand der Abstraktion. Aber es gibt auch nicht nur wegen der kräftigen, leuchtenden , flächigen Farbgebung Bezüge zum Fauvismus (dem manche auch Soutine zurechnen, der sich später wieder immer mehr der Ordnung zugeneigt fühlt und sich dabei auf Altmeister wie Corot und Corbet bezieht), besonders Friesz, der in der Objektgestaltung wie v. Lorsch Soutine ähnelt, Manguin, Marquet , Braque, teils Derain und Dufy, die v. Lorsch in der „Wildheit“  seiner Bilder in der Hauptzeit seines Schaffens noch, besonders an die Formgebung (angelehnt an Soutine und dieser an Van Gogh) deutlich, übertraf. Sie hatten sich vom späten Impressionismus abgesetzt, der bei v. Lorsch auch nie eine Rolle gespielt hatte. In den Gebäuden v. Lorschs, auch besonders schon in frühen Werken, lässt sich häufig so etwas wie Nostalgie erkennen, wie Rückbesinnung, dazu mit dieses unterstreichenden Eycatchern wie Pferdewagen, Radfahrer auf autofreien Straßen und immer wieder traditionelle Lampen, oft auf Brücken, manche in der Nacht intensiv warm leuchtend mit breiten Lichtkegeln oder etwas schalkhaft Kinder im Baum, das versteckte Eichhörnchen, das verlorene Schoßhündchen auf dem weiten Rasen.  Gebäude sind für v. Lorsch keine architektonischen Gebilde oder planerische Aufrisse, sondern könnten ihre Geschichten erzählen und regen die  Phantasie der Betrachter  an. Dieses trifft in ähnlicher Weise auch für andere technische Konstrukte wie Häfen, Kraftwerke, Bergwerke, Kräne, Boote, Kutter und Dampfer zu, die so in der realen Welt gar nicht funktionstüchtig wären, gebogen, wie die Landschaft um sie herum, manchmal nur angedeutet oder an Land gezogene Fischerboote mit oxidierten Schiffsschrauben zwischen Reparatur und  beginnendem Verfall oder Abwrackung. Ist S.v.Lorsch ein Maler der Nachkriegszeit ? Ja. nur in Bezug auf die Jahreszahlen auf seinen Bildern. In frühen dunkler gehaltenen, realistischen Werken ist er eher ein Kind der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts, seine Prägung bezüglich der Hauptschaffenszeit erhielt er jedoch vor dem zweiten Weltkrieg durch Kokoschka,  Soutine und einige Maler des Fauvismus in Frankreich. Daher offenbar wurde seine Malerei nach dem Krieg so gefeiert und ebenso, von anderen , auch Kritikern, die ihn allenfalls als eine Art Epigonen, allerdings des Expressionismus (viele Expressionisten, z.B.  die „Brücke“- Maler (Bleyl, Heckel, Schmidt- Rottluff) waren jedoch zur Hochzeit v. Lorschs noch aktiv) sahen, geringgeschätzt. Am ehesten kommt v. Lorsch in diesem Kontext Heckel und Kirchner nahe, jedenfalls jenen Werken, die in der Gestaltung der Formen weniger kantig und somit fließender geschaffen wurden. Der seinerzeit plötzlich aufkommenden Kritik konnte und wollte v. Lorsch , zumal Einzelgänger, spätestens nach den 60iger Jahren, offenbar verbal nichts entgegensetzen, auch wenn dann von ihm noch viele, immer wieder neue malerische Akzente setzend, „reife“ Werke entstanden ( z.B. Ölhafen Hamburg, späte Montagnola- Bilder u.a.m.), die immer reduktionistischer daherkamen und ins Abstrakte überleiten. Nach eigenen Angaben (Wümme- Zeitung 26.09.1991/Weser Kurier)) bestanden Freundschaften auch weiterhin Freundschaften wie mit Bonnard, der ihm auch Freund und Vorbild wird (dessen Ölbilder heute bis 10 Mio .€), Pechstein und Purrman, die auch auf sein Werk eingewirkt haben. Pechstein dürfte ihn dabei zu noch kräftigeren, unvermischten Farben ermuntern haben. Wahrscheinlich hatte er ihn 1952/53 kennengelernt, als er die Sommer an der Ostsee (Strande) verbrachte und auch an der Nordsee (Amrum) malte. Wahrscheinlich kam der Kontakt über Schmidt- Rottluff zustande. Ab den 70iger Jahren malte v. Lorsch immer abstrakter, orientierte sich am Abstrakten Expressionismus der New- Yorker Szene, die er besucht hatte. Andererseits erklärte er bereits 1972 (Wümme Anzeiger), dass er über die folgende Bewegung in den USA um Warhol und Liechtenstein „schon wieder hinausgegangen“ sei. Was noch zu bewerten ist und insofern auch schwierig, weil viele seiner Bilder keine Jahresdaten aufweisen.

Man darf sicherlich feststellen, dass er in seiner längsten, deutlich expressionistischen Mittelphase nie das Naive, Flächige gesucht hat, wie wir es im deutschen Expressionismus besonders auch bei Pechstein und Schmidt- Rottluff aber auch Malern des Blauen Reiter finden, die ja besonders im Fall „Brücke“ vom Druck und der Grafik herkamen. Von Lorsch ging immer eher vom Wirklichen wie es sichtbar war, aus, um es dann auf die ihm eigene Art zu verfremden, auch im breiten Strich lassen sich immer noch die Details erahnen, ob eine Straße einen Kopfstein- oder Naturbelag hat oder welche Blumensorten die Frauen in der Halle der Blumenhandlung gerade binden. Da bereits Cezanne erwähnt wurde als Pate von Lorschs Paten, der mit Gaugin und Manet, auf Pissarro aufsetzend, die Moderne begründete, deren Bilder v. Lorsch aus dem Louvre kannte, könnte gerade Manet und Cezanne einen  unterschwelligen Einfluss auf ihn ausgeübt haben. Da ist zunächst die Dreidimensionalität zu erwähnen, die auch v. Lorsch in vielen Gemälden vernachlässigt ( in Bild wird bestimmt von Himmel und Wasser in denselben Farben, die den Gesamteindruck vermitteln, sie dann aber oft dezent wieder einführt, z.B. durch die Baumreihe zwischen Flüsschen und den Häusern dahinter, oder durch die farbliche Staffelung (Bild Schützenfestplatz Reinbek um 1950). Statt der dritten Dimension führt er quasi eine vierte ein, etwa im Sinne Einsteins (die Zeitwelt im fahrenden Zug- im Verhältnis zur Außenwelt), den Raum in der Zeit raffend, die Motive zusammenziehend, die sonst nur im schweifenden Blick erfassbar sind. Das gibt manchen Bildern etwas leicht Fiktives. Dann malte er selbst große Gemälde, skizzenhaft, wie hingeworfen, wie nur auf den ersten Blick wahrgenommen, so bei einer Rheinreise die Landschaft um Andernach und des Deutsche Eck bei Koblenz.

 Oben wurde bereits mehrfach festgestellt, wes unruhigen Geistes v. Lorsch war, es gibt auch so etwas wie ein meditatives Element in seinem Leben und seiner Kunst. Immer wieder trieb es ihn an dieselben Malplätze mit weiter Aussicht, besonders auf die Elbe, wo er tagelang am Strand zu finden war und vielleicht oft mehr schaute als malte; an kleine Flüsse wie Bille, Lühe oder Bäche im Tessin, in Parkanlagen und Moore, abseits von jedem städtischen und gesellschaftlichen Rummel.

Im Jahr 1961 schreibt Gotthard Jedlicka in „Der Fauvismus“ am Ende des Kapitels zu de Vlaminck, was so auch auf v. Lorsch zutreffen kann: „…(seine) Malerei ist in einem viel größeren Ausmaß Ausdruck eines starken Temperaments als einer individuellen Vision. Das gilt für die Bilder seiner Jugend, seiner Reife und seiner späten Jahre. Er behauptet, nie einem Einfluss unterlegen zu sein, alles sich selbst und der Auseinandersetzung mit der Natur zu verdanken….Die Malerei Vlamincks ist nicht nur eine Malerei aus dem Gefühl, (aber)…es herrscht vor, (ein Gefühl), das im Verlauf eines langen Lebens immer mehr vom bloßen Temperament abgesogen wird…der greise Vlaminck (macht sich auf) zu neuen Experimenten“. Auch von Lorsch schuf in den späten Jahren noch einmal eine Vielzahl von auch großflächigen Bildern, zumeist gänzlich abstrakt, in starken Farben, in denen stimmungsmäßig gewisse Farbtöne vorherrschen.

Im Gegensatz zu de Vlaminck oder Purrmann schrieb v. Lorsch außerordentlich wenig, weder Tagebuch noch Literarisches und es sind bisher nur wenige Einträge in Besucherbücher, Postkarten und ein Gebet von ihm aufgetaucht. Er dokumentierte auch sein Werk nicht etwa so akribisch wie etwa Schmidt Rottluff; zudem sind diese Aufzeichnungen und Fotos noch nicht aufgefunden worden. Er war ganz der musische Typ, der gerade den tristen Alltag der Kriegs- und Nachkriegszeit mit Geige, Gitarre und Gesang ähnlich wie seinen Bildern, eine vielfarbige Note gab und so sein Herz und das seiner Mitmenschen erleichterte.

5

Dorf imTessin, 60iger Jahre
Pppeln im Wind, Homage an den Freund Chaim Soutine
Segelschiffe, um 1960 im fauvistischen Stil des Freundes P. Bonnard
Skyline, 1980iger Jahre
Deutschland im Herbst 1977
Segelregatte SvL um 1980

6

Sandro von Lorschs Lehrer und Vorbilder

 Sandro von Lorschs Lehrer und Vorbilder mit Zeit(räumen) der Kontakte

Lehrer/Vorbilder

Malerfreunde

Portrait des Malers Karl Schmitd- Rottluff

Wenn man sich diese Maler genauer hinsichtlich deren eigener Vorbilder ansieht, wird man Erstaunliches und einige Überschneidungen feststellen.

Otto Klein (1904- 1995 ) liebte die höfisch- klerikalen Präzisionsmaler Spaniens Francisco de Zubaran ( ) und  Diego Velazquez ( ) und den Franzosen  Jean Honore de Fragonard (1732- 1806 ), letzteren wegen seines „lockeren Strichs“.

Chaim Soutine (1893- 1943) bezieht sich ebenso auf Velazquez, El Greco (1541- 1619 ) und Rembrandt van Rijn (1606- 1969) , Resultat sind teilweise „harte, wilde“ Bilder oder solche mit düsterer Atmosphäre. Strichmäßig gibt es auch Bezüge zu Manet, eventuell auch in Fragen der Raumtiefe.

Pierre Bonnard (1867- 1947 ) bezieht sich auf Paul Cézanne (1829- 1906) und auch den eher frühen Paul Gaugiun (1848- 1903 ) sowie den Salonmaler Rodolphe Julian (1839- 1907), gerade ersterer ein Vorbild vieler Fauvisten am Beginn der Moderne.

Maurice de Vlaminck (1876- 1958) ) nennt Cézanne und Vincent Van Gogh (1853- 1890) ), wie er Flame, auch dieser wird zudem öfter von Malern des Fauvismus als Vorbild genannt.

Bezüglich der Malerfreunde:

Oskar Kokoschka (1886- 1980 ) nennt Van Gogh als Vorbild, ist aber auch ein Liebhaber von Bildern Gustav Klimts (1862- 1918 ) und Franz Marcs (1880- 1916 ).

Hans. M. Purrmann (1880- 1966 ) nennt als erstes Cézanne und im selben Atemzug den „heiligen“ Jean Camille Baptiste Corot (1796- 1875 ) als begnadetem Landschaftsmaler. Bezüglich Portraits und Szenen nennt er Wilhelm Leibl (1844- 1900).

Karl Schmidt- Rottluff (1884- 1976 ) nannte van Gogh als Vorbild, aber auch Robert Delaunay (1885- 1941 ) und die ebenfalls dem Fauvismus entstammenden Kubisten Georges Braque (1882- 1963) und Fernand Léger (1861- 1956 )

Max Pechstein (1881- 1955 ) hatte in Van Gogh ein Vorbild, wie die Kritik sagt, aber er nannte selber auch Edvard Munch (1863- 1944).

Durch seinen Vater kannte von Lorsch die Malerei in den Museen Deutschlands und Frankreichs aus nächster Nähe, ebenso Ungarn und Österreich und wahrscheinlich auch Englands.

 

Versucht man Elemente in der Malerei von Lorschs aus diesen Einflüssen zu erkennen, so müsste man als erstes Cézanne nennen. An dessen Malerei sich v. Lorsch besonders in der ersten Nachkriegszeit anzulehnen scheint, diese Bilder v. Lorschs werden sofort geliebt, weil die Vertrautheit schaffen in Form ihrer Motive aber auch dem noch hohen Grad an Gegenständlichkeit. In der Winsener Zeitung vom 29.01.1972 spricht die Redakteurin Johanna R. Müller- Lampertz von seiner „im vorigen Jahrhundert verhafteter“ Malerei. Sie bleibt auch in der gegenständlich- expressionistischen Phase unterschwellig erhalten. In demselben Artikel bezeichnet sich v. Lorsch als Abstrakten Expressionisten und er wieder „über Warhol hinaus“ ginge. In der Tat war ihm konstruierte Malerei fremd. Wenn Otto Klein v. Lorsch sicherlich solide Handwerklichkeit beibrachte und anheimlegte, hat Lorsch sicher auch die Aufforderung des Muts zum „lockeren Strich“ seines Lehrers sehr beeindruckt und ihn in der zunehmenden Spontanität ermutigt, wie auch die Wildheit (Stürme, zu- und aufziehender Himmel, Serpentinenwege zu in den Himmel ohne Begrenzung übergehende, witterungsgebeugte Bergsiedlungen…) Soutines gut zu  seinem Wesen passte. Die Malerei Purrmanns könnte v. Lorsch mehr als auf den ersten Blick anzunehmen, beeinflusst haben. Insbesondere aber hat dieser ihm offenbar Corot nähergebracht, einem Maler, der Landschaft wie kein anderer einfangen und atmosphärisch zum Ausdruck bringen konnte. Auch Leibl, den Purrmann sehr mochte, könnte Lorsch schätzen gelernt haben, besonders was dörfliche Szenen angeht. Bei v. Lorsch finden sich einige besonders aus der ungarischen Puszta oder auch in Gasthäusern.  Von Lorsch versuchte verschiedentlich Kokoschka zu „kopieren“, das betrifft den feineren Strich des großen Malers, den er verschiedentlich sehr gut getroffen hat, z.B. in den Ölbildern der Stadt Bremen. Hinsichtlich eines seiner Portraits befand v. Lorsch auch einmal: „Das ist besser als eines von Kokoschka“. Auch mit Schmidt- Rottluff verband v. Lorsch nicht nur eine gute Bekanntschaft, sondern auch so etwas wie Wettbewerb, nämlich den anderen mit dessen eigenen „Waffen“ zu übertreffen. Von den Fauvisten schließlich, voran Bonnard, hat er, ähnlich wie von Purrmann, den Mut zur Farbe sicherlich begeistert aufgenommen. Pechstein und de Vlaminck könnten v. Lorsch den Reiz der Malerei in der Ruhe beschaulicher Dörfer und kleinen Ortschaften, teils auch Zeichnungen dort, nähergebracht haben. In der späten gänzlich abstrakten Phase sind mit genauem Blick immer noch Motivelemente erkennbar. V. Lorsch fühlte sich auch in gewisser Weise von der japanischen Avantgarde beeinflusst (Winsener Anzeiger 29.01.1972). Damit meinte er sicher eher die Nihonga- Schule, die bis zum zweiten Weltkrieg reichte und noch traditionelle Elemente aufweist. V. Lorschs spätere Bilder, wie etwa die verschiedenen Blütenmeere, Geshas und Kirschblüte sprechen hierfür, auch weil sie ohne Tiefenperspektive kreiert sind.

 

 

Im Vorfeld der Ausstellung seiner Werke nach dem Krieg im Reinbeker Schloss ab dem 9. Mai 2015 wurden  bis dahin etwa 300 (heute fast 900) Gemälde, meist  in Öl, und fast ebenso viele Zeichnungen und Skizzen des Malers  und deren Besitzer ausfindig gemacht. Die meisten in Norddeutschland, aber auch England, USA , Schweiz und Italien. Da v. Lorsch ständig malte und zeichnete, ist von wohl von vielen tausenden Stücken aus seiner Hand auszugehen. Allerdings hat er etliche auch verworfen oder übermalt. Laut eines Familienmitglieds soll er sämtliche Bilder vor dem Verkauf fotografiert haben. Leider fehlt von diesem Archiv bislang jegliche Spur. Liegen die Startpreise der Bilder bei Auktionen heute eher im bescheidenen Bereich (gute Stücke bis 1000,- €) zahlten Liebhaber im Einzelfall auch schon wieder bis zu 10.000,- Euro. Schon in den 60iger Jahren hatte er als Vorkasse für eine private Auftragsarbeit 5000,- DM erhalten, im Normalfall  verlangte er ca. 3000 DM, bekam diese aber nicht immer und gab manche Bilder deutlich günstiger weg. Bei der Auflösung des Auktionshauses Schwabroh in Hamburg in den 60igern erzielten v.Lorschs Höchstpreise auf dem Niveau von Schmidt-Rottluff (RA Eggers, aus der Kanzlei des Insolvenzverwalters und Nachlassauktionatores ), das hieße bis zu 100.000,- DM, heute ca. 50.000 €. V.Lorsch war damals in Hamburg sehr in Mode und galt als Starmaler.  Das älteste bekannte Bild, Gehöfte in den Alpen, stammt von 1935/36, das als bisher spätestes bekannte, ein Halbakt, expressionistisch, von 1987, 2015 beim Antiquariat Weser in Bremen versteigert. Lt. RA F.F.Eggers soll er aber auch danach noch gemalt haben, wahrscheinlich bis kurz vor sein Lebensende.

Im Jahr 2016 wurde im Archiv des Museums Ludwig, Köln, ein Dossier über v. Lorsch angelegt, auf Initiative der dort früheren Mitarbeiterin und Lorsch- Bildbesitzerin Petra Bechtel

Zwischen etwa 1960 und 1990 organisierte v. Lorsch zahlreiche kleine Vernissagen in Hamburg, die ganz dem Verkauf seiner Bilder dienten. Ähnlich auch in Lugano und London (lt. Hamb. Abendblatt 1959), wo er u.a.1956 malte.

Einige Werke wurden zu seinen Lebzeiten durch die Galerie Commeter, Hamburg, verkauft, lt. Aufschriften/Etiketten/Stempel und Artikel Hamb. Abendblatt 11.Juli 1951- bei Commeter Lorsch- Ausstellung Gemälde, Aquarelle und Pastelle, ebenso durch die damalige Galerie Schwabroh, Jungfernstieg

Ein Bild ,Portrait Öl des Kunstkritikers Ferking, in Sammlung Sprengel Museum Hannover (s.o.), ebenso Aquarell des Bergwerks und der Hütte Rammelsberg bei Goslar/Harz und Ölbild vom LagoMaggiore, kleinere Skizzen, Zeichnungen

The Salisbury Museum, UK, zwei Zeichnungen, eine der Kathedrale, eine auf Lagerlisten der britischen Armee aus der Kriegs-/Nachkriegszeit

Nach einem Zeitzeugen und Hamburger Rechtsanwalt Eggers kaufte auch die Kunsthalle Bremen Bilder v. Lorschs

Nach seinem Tode viele Verkäufe über namhafte Auktionshäuser in Deutschland (Aldag, Stahl, Bolland- Marotz u.a., der Schweiz (u.a. Fischer) und Dänemark, Schweden, England (u.a. Barneby`s) Frankreich und Italien, auch internat. online (catawiky).

Bilder v. Lorschs finden sich auch im Hamburger Anwaltsverein e.V. (gr. abstrakt „Blütenmeer“ im Geschäftszimmer) , beim Arbeitgeberverband Nordmetall, gr. Öl, Köhlbrandbrücke, im Eingangsbereich bei Lotsenbrüderschaft im Lotensenhaus Bubendeyweg, Hafenszenerie vom Fischmarkt aus, um 1960 (öffentlich/Anmeldung) sowie dem Heiligen- Geist- Hospital zu Lübeck

2017 Herausgabe eines Kalenders mit 13 Motiven aus Hamburg und Umgebung, „Mein Hamburg“, Gemälde 1950 – 1975. LorSti Kunst GbR, Hamburg

Derzeit sind etwa 900 Bilder, zumeist Öl, sowie Aquarelle und Zeichnungen neu erfasst aber noch nicht dokumentiert, ihre Zahl wächst weiterhin.

1951 ff. Galerie Commeter, Hamburg

1956 April- Juni, Galerie Koch, Hannover (HAZ, 13.Mai 1956), Ölbilder aus Hamburg, Harz, Stilleben

1991 September – Oktober, Galerie Hubert, Worpswede, Bilder, darunter 18 in Öl, der Jahre 1960 – 1987

2015, 9. Mai- 21.Juni, Schloss Reinbek. Ausstellung: Sandro von Lorsch – Die Reinbeker Zeit 1945-1960 und norddeutsche Motive.

2016, 17. Sept.- 24. März 2017 Beteiligung an: Constable in Context Salisbury Cathedral from the Meadows, The Salisbury Museum, England, UK

2017, 16. März – 15 Juni, Praxis- Galerie Sempell, Itzehoe (Verkaufsausstellung)

2023 Große Retrospektive in Hamburg in Vorbereitung

Dr. Holger M. Stienen

Stand Januar 2022

Rückfragen, Kritik, Anregungen an : hmk.stienen@gmx.de oder 040-81978300. Es besteht eine umfassende Liste von Besitzern von Lorsch- Gemälden, u.a. bei der Familie und im Museum Ludwig in Köln hinterlegt. Einige kaufen bzw. verkaufen Bilder. Alle Angaben stammen von den genannten Zeitzeugen und aus Schriften (in Literaturliste Sandro von Lorsch im Eintrag in wikipedia).